Sebastian Prödl, der am Donnerstag beim UEFA Europa League Spiel zwischen AS Monaco und SK Sturm Graz seine Premiere als TV-Experte feiert, spricht im exklusiven Interview mit sportsbusiness.de über seine Vorbereitungen für den neuen Job, wie die Zusammenarbeit mit ServusTV zustande kam und über die Rückkehr des internationalen Fußballs ins Free-TV.
sportsbusiness.de Exklusiv – Das Gespräch führte Nils Daiker
sportsbusiness.de: Was gab Ihnen den Impuls nach der Profikarriere als TV-Experte zu arbeiten?
Sebastian Prödl: „Zwei Aspekte waren für mich entscheidend: Einerseits die ‚Karriere danach‘ bestmöglich fortzubereiten und im Fußballgeschäft zu bleiben, um das Netzwerk auf einer anderen Ebene weiterspinnen zu können. Die zweite Komponente sind die spannenden Rechte, die ServusTV an Land gezogen hat.
Zusätzlich hat mir vor allem das Team, das die Übertragungen betreuen wird – von Kommentatoren über Reporter – ein sehr gutes Gefühl gegeben, hier einen weiteren Schritt in meiner Karriere abseits des Platzes zu machen.“
Wie kam die Zusammenarbeit mit ServusTV zustande?
„Im März gab’s den ersten Kontakt, bei dem wir über eine mögliche Zusammenarbeit geredet haben. Es wurde dann in der Folge auch ein Casting veranstaltet, wo beide Parteien abklären konnten, ob eine Zusammenarbeit Sinn machen könnte. Dabei wurde auch darauf geschaut, wie ich vor der Kamera agiere und wie die Synergie zwischen meinem Gegenüber, damals Sportchef Christian Nehiba, und mir stattfindet.
Das positive Feedback löste bei mir dann den Anstoß aus, zu sagen: Das ist ein Team, ein Format, ein Sender und ein Unternehmen, wo ich mich sehr wohl fühle, um weitere Schritte in meiner Karriere perfekt planen zu können.“
Welche Ziele haben Sie für Ihre neue Rolle?
„Meine Ziele in der neuen Rolle sind ganz klar, dem Fußballsport auf eine andere Art und Weise treu zu bleiben, ihn auch durch andere Augen zu sehen und zu versuchen, immer up-to-date zu bleiben. Der Fußball ist in ständiger Veränderung, erlebt stets Erneuerungen und Verbesserungen und ist schnelllebiger und intensiver als jemals zuvor. Den besten Fußball Europas analysieren zu dürfen, ist die perfekte, weil spannende Aufgabe für mich.“
Was sind die Vorteile und Nachteile, wenn man sich als Ex-Fußballer ins Fernsehen wagt?
„Ein Vorteil ist natürlich, dass man im Gespräch bleibt, sich durch gutes Auftreten und fundierte Analyse einen Namen macht und zeigt, dass man nicht nur sportliche Fähigkeiten hat. Sondern ein Charakter ist, der im Fußballgeschäft Fuß fassen kann. Dafür möchte ich die Grundlage legen.“
Welche Vorbereitungen haben Sie für Ihren Job als TV-Experte getroffen?
„Ich möchte das auf jeden Fall als Job sehen, mich richtig in die Thematik reinfuchsen und weiterbilden. Sowohl in der Artikulierung, als auch was die Körpersprache betrifft. Weiters haben wir uns auf die Fahne geschrieben, die Emotionen so gut wie möglich rüberzubringen.“
Haben Sie Vorbilder in der Branche der TV-Experten?
„Ich finde, dass Marc Janko bei Sky sehr wortgewannt und selbstbewusst auftritt. Dazu kommt noch, dass er nicht mit zu viel Taktikgeplänkel übertreibt, das der Normalzuschauer auch nicht versteht. Wir haben zwar acht Millionen Teamchefs im Land, aber taktische Ahnung haben die wenigsten davon.
Auch Per Mertesacker gefällt mir sehr gut, der mit seiner geradlinigen und ehrlichen Art Spiele analysiert und es einem Fan so näherbringen kann, dass es Spaß macht, zuzuhören. Ein drittes Vorbild ist Gary Lineker im englischen TV, der es geschafft hat, in diesem Job extrem zu wachsen und mittlerweile auch ein Sprachrohr des englischen Fußballs zu sein.“
ServusTV bringt den internationalen Fußball zurück ins Free-TV, wie groß war die Motivation ein Teil davon zu sein und wie stehen Sie grundsätzlich zur Frage Free- vs. Pay-TV?
„Ich glaube, es ist eine Sensation, dass ein Free-TV-Sender diese Fülle an Rechten hat. UEFA Champions League, Europa League, Conference League und DFB Pokal. Das ist ein Meilenstein, nachdem der Fußball etliche Jahre nur im Pay-TV verbracht hat.
Jetzt, wo man die internationalen Spiele wieder im frei empfangbaren Fernsehen verfolgen kann, wird das auch wieder einen Wertzuwachs vor allem für Rapid, Sturm und LASK bedeuten.“
Sie haben in drei der fünf Eliteligen Europas gespielt, welche dieser Ligen hat Sie vom medialen und Business Standpunkt am meisten beeindruckt und warum?
„Grundsätzlich ist zu sagen, dass es für mich das Nonplusultra war, in der englischen Premier League zu spielen. Das habe ich, als ich damals in Deutschland bei Werder Bremen gespielt habe, nicht so gesehen bzw. wahrgenommen. Ich war der Überzeugung, dass Deutschland mit England mithalten kann, was das Mediale, Sportliche und Marketing angeht.
Als ich dann nach England kam, habe ich schon den Meilenstein erkannt, der zwischen den beiden Ligen liegt. Die Premier League ist faszinierend. Das zeigt sich vor allem in der weltweiten Aufmerksamkeit – auch gegenüber den kleineren Vereinen. Egal wo ich auf der Welt unterwegs war, man wurde erkannt. Die Premier League hat eine Strahlkraft, wie sie in Deutschland nur Bayern München und vielleicht Borussia Dortmund erreichen kann.
Auch die zweite Liga in England genießt weltweite Anerkennung, das ist schon sensationell. Das Schöne als Fußballer in England ist neben der Faszination auch der respektvolle Umgang, der es den Spielern erleichtert sich unter der Woche bestmöglich vorzubereiten. Eine Stunde pro Woche ist die Presse am Trainingsgelände zugelassen, ansonsten hat man seine komplette Ruhe, um sich vorzubereiten. Außer man tritt in ein Fettnäpfchen – dann kann dich die Yellow Press ganz schön zerreißen.“
Seit Juni 2021 haben Sie auch Ihren eigenen Podcast (Building Bridges), wie entstand dieser und haben Sie außerdem noch Interessen, wo Sie sich einmal probieren wollen?
„Ich bin selbst begeisterter Podcast-Hörer und in Österreich ist das Thema noch nicht so weit verbreitet wie in Deutschland oder England. Der Podcast Building Bridges war eine spannende Idee, die mir vor der EURO aufkam. Das Format spiegelt auch meinen Charakter wieder.
Es gibt viele Sportler, die nach der Karriere ein Buch schreiben oder eine Dokumentation über sich machen lassen und ich hab mich für den Weg entschieden, meine Karriere zu verarbeiten und dann aufzuzeigen, was den Sport alles ausmacht. Es gibt da sehr viele Komponenten, die aufgearbeitet werden können und ich möchte eine gewisse Community daran teilhaben lassen – Bis dato bin ich sehr zufrieden damit.“
Könnten Sie sich auch eine weitere Karriere im Fußball vorstellen, als Trainer, Sportdirektor oder Manager?
„Das ist nicht ausgeschlossen, stand jetzt bin ich aber weit davon entfernt. Ich möchte meinen Job bei ServusTV bestmöglich machen, mich mit Coaches austauschen und eventuell durch ein Studium herausfinden, für was ich bestmöglich geeignet bin. Ich glaube schon, dass ich dem Fußball treu bleiben möchte, in welcher Form ist jedoch noch offen.
Ich bin weit davon entfernt, den typischen österreichischen Weg einzuschlagen, dass ein Ex-Spieler auch ein guter Trainer sein muss. Da wird das ein oder andere Mal ein Trainerjob hergeschenkt, ohne jegliche technische Ausbildung zu haben und das möchte ich nicht.“
Aktuell gibt es auch im ÖFB eine heftige Debatte über die Zukunft des Verbands. Sie galten schon während Ihrer aktiven Zeit als kritischer Denker. Wie sollte sich der ÖFB aus Ihrer Sicht künftig aufstellen?
„Es ist für mich relativ schwer die Situation einzuschätzen, weil ich den ein oder anderen Spieler und selbst den Trainer kenne. Meiner Meinung nach gilt gerade bei den letzten Länderspielen schon festzuhalten, dass man nur wenige Trainingseinheiten hatte. Deswegen wäre es falsch, die ganze Diskussion nur am Trainer festzumachen. Ich glaube jedoch auch, dass man selbst ohne Trainer an der Seitenlinie, bessere Spiele mit diesem Spielermaterial abrufen müsste.
Meiner Meinung nach ist jetzt der falsche Zeitpunkt für eine Trainerdiskussion. Diese Debatte hätte man nach einer Europameisterschaft führen können, um eine Analyse zu machen und zu schauen, ob das auch ein Teamchef für die nächsten zwei Jahre ist. Auch unabhängig vom sportlichen Erfolg – wie man die Euro 2020 bezeichnen könnte – denn ich glaube, wir haben das Minimalziel erreicht: Wir haben nicht enttäuscht.
Ob es jetzt eine gute Europameisterschaft war, lasse ich offen. Die Trainerdiskussion hätte man jedoch, wenn dann nach dem Turnier führen können oder sollen. Da wäre auch die Zeit für jemanden Neuen vorhanden gewesen, um das Team wiederaufzubauen.
Jetzt, so mitten in der Qualifikation für die WM 2022, kann man die Diskussion führen aber ich denke, vor Ende des Jahres wird sich da relativ wenig tun und so eine Teamchef-Entscheidung sollte auch nicht im Aktionismus stattfinden, sondern sollte wohl überlegt und für Jahre geplant sein.“