Sandra Reichel, Sportmanagerin und Turnierdirektorin, spricht im Exklusiv-Interview mit sportsbusiness.de über die aktuelle Lage im nationalen Damentennis, die Herausforderungen in der Organisation des Upper Austria Ladies Linz und wie sich das Verhältnis mit Sponsoren und Partnern des Turniers in der Corona-Zeit entwickelt hat.
sportsbusiness.de Exklusiv – Das Gespräch führte Nils Daiker
sportsbusiness.de: Das Upper Austria Ladies Linz ist Österreichs einziges Frauen-Tennis-Turnier auf der WTA-Tour. Auf welche Herausforderungen trifft man im Management eines solchen Turniers?
Sandra Reichel: „Die Herausforderungen sind gerade in Zeiten der Pandemie noch größer geworden. Voriges Jahr wurde uns eine Woche vor dem Turnier mitgeteilt, dass wir keine Zuschauer haben dürfen. Das war wirklich ein schwerer Schlag und es wurde auch überlegt, ob man solche Veranstaltungen überhaupt durchführen kann.
Im Endeffekt haben wir uns gesagt, das Upper Austria Ladies ist das zweitälteste Hallenturnier der Welt und hatte im Vorjahr Jahr sein 30-Jahr-Jubiläum, also wollten wir es unbedingt durchziehen. Man muss in solchen Zeiten auch Flagge zeigen. Insgesamt war ich sehr froh darüber, dass das Turnier 2020 stattfinden konnte.
Ein zweites Jahr ohne Zuschauer möchte ich jedoch nicht, denn man merkt, dass das Live-Erlebnis der Tennisfans enorm wichtig bei solch` einer Veranstaltung ist. Die Herausforderung ist natürlich, dass wir jetzt nach wie vor noch nicht genau wissen, ob und wie viele Zuschauer wir zulassen dürfen und welche Regeln bei uns gelten werden. Wahrscheinlich werden sich die Verordnungen per 1. November auch nochmal ändern, aber wir sind schon einmal vorsichtig in den Kartenvorverkauf gegangen und lassen vorerst jede zweite Reihe frei.
Wie gehen Sie mit mit dieser Unsicherheit um?
Die Herausforderung ist demnach nach wie vor die Ungewissheit, aber nichts desto trotz haben wir in den vergangenen eineinhalb Jahren viel gelernt. Gesundheit und Sicherheit muss immer an erster Stelle stehen, und wir haben all unsere Veranstaltungen nach diesem Prinzip durchgezogen.
Hinzu kommt, dass es Firmen und Partner gibt, die ihre Sponsorings aufgrund der Covid-19-Pandemie teilweise einstellen beziehungsweise eingestellt haben. Das hat uns auch vor große Herausforderungen gestellt, aber wir haben das Glück, dass wir über diese Zeit neue Partner wie Oberösterreichische Versicherung, GlobeAir, Oberndorfer und Backaldrin dazugewinnen konnten. Und dass mit der Unterstützung der Stadt Linz, des Landes Oberösterreich und der treuen bestehenden Partner wie LINZ AG, Porsche Zentrum OÖ, die 31. Auflage des Upper Austria Ladies in diesem Jahr im November stattfinden kann.“
Das Turnier findet seit 1991 jährlich statt. War die Corona-Zeit die bis dato Schwierigste für das WTA-Linz?
„Die Zeit unter Covid-19 war und ist sicher die Schwierigste für das Turnier, da man mit dem Thema Gesundheit konfrontiert ist. Ich glaube, dass Bewegung und Sport für uns alle und vor allem für die Jugend extrem wichtig sind. Deswegen gibt es auch unsere Initiative mit den 1.000 Tennisschlägern für 1.000 Mädchen, weil ich der Meinung bin, dass wir alle während der Pandemie gemerkt haben, man muss etwas für sich und seine Gesundheit tun.
Je gesunder und fitter man ist, desto besser für uns alle. Ich bin davon überzeugt, dass Tennis für Mädchen eine tolle Sportart ist, bei der man auch fürs Leben lernt.“
Wie schätzen Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage im Damentennis in Österreich ein?
„Im Damentennis fehlen aktuell diese local Heroes. Im Herrentennis ist das mit Dominic Thiem der Fall. Neben einem local Hero fehlt uns aber auch die Dichte an Tennisspielerinnen. Ich hoffe, dass wir gerade durch Leute wie Thiem und dadurch, dass der Tennissport wieder präsenter ist, mehr Mädchen zum Tennis bringen und somit das Feld wieder dichter wird.
Ich glaube auch, dass wir mit dem Österreichischen Tennisverband eine optimale Partnerschaft gefunden haben, wo man erkennt, dass Damentennis trotz allem weltweit die bedeutendste Frauensportart ist. Deswegen sind Tennisspielerinnen auch solche Role-Models. Gerade der Schritt, dass man bei den großen Turnieren das Preisgeld zwischen Männern und Frauen angeglichen hat, ist einer in die richtige Richtung. Damentennis nimmt auch für andere Sportarten eine Vorreiterrolle ein. Aus diesem Grund kann das Upper Austria Ladies sehr viel dazu beitragen, diese Themen vor den Vorhang zu bringen.“
Wie wichtig ist es Ihnen, dass trotz der anhaltenden Einschränkungen die Young Ladies Wildcard-Challenge stattfinden kann?
„Das finde ich total wichtig. Es ist heuer die vierte Auflage der Wildcard-Challenge und es ist für die Spielerinnen, die bis dato noch nicht die Möglichkeit hatten, sich auf der internationalen Bühne der Tenniswelt zu beweisen, eine riesige Chance. Gleichzeitig sehen die Athletinnen, wo sie aktuell stehen und wie weit sie sind und ich glaube, das ist ganz wichtig für die nächste Generation und den Nachwuchs.“
Gibt es finanzielle Ziele, wohin sich das wirtschaftliche Budget des Turniers entwickeln soll?
„Das Hauptziel ist es, dass wir das Turnier auch in Zukunft durchführen können. Dafür braucht man natürlich Sponsoren und Partner. Wir haben eine starke Unterstützung des Bundeslandes Oberösterreich und der Stadt Linz aber auch treue und langjährige Partner wie die Linz AG oder Porsche.
Natürlich ist es wichtig, ein ausgeglichenes Budget zu haben. Ansonsten ist man nicht überlebensfähig, aber diesbezüglich gibt es auch bessere und schlechtere Jahre. Mir ist es ein Anliegen, dass man das Damentennisturnier nicht nur auf das Thema Spitzensport reduziert, sondern auch Themen wie Mädchenförderung und Förderung von Frauen im Sport zum Vorschein kommen. Genau das wollen wir weiter ausbauen und dadurch werden wir auch unser wirtschaftliches Budget erweitern können.“
Auf der offiziellen Turnier-Website sind sowohl alle Sponsoren, Partner und Ausstatter aufgelistet als auch Kooperationsmöglichkeiten. Ist das Turnier weiterhin auf der Suche nach neuen Sponsoren oder ist man ausvermarktet?
„Wir versuchen noch ein bis zwei Partner für dieses Jahr dazuzugewinnen und ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen werden. Es wäre auch wichtig für unsere finanzielle Basis.
Das Fragezeichen ist natürlich, wie viele Tickets verkauft werden dürfen. Das werden wir aber erst last Minute erfahren, weil Einige kurzfristiger entscheiden, ob sie zur Veranstaltung gehen und man auch noch abwarten muss, was für eine Verordnung bei uns gelten wird. Ich rechne damit, dass wir Anfang November Bescheid wissen.“
Wie ist die Stimmung unter den bestehenden Sponsoren und musste man ihnen während der Pandemie teilweise entgegenkommen?
„Wir haben uns mit jedem Sponsor und mit jedem Partner per Zoom oder Teams Call vernetzt und haben versucht, gemeinsam eine gute Lösung zu finden. Vor allem im vorigen Jahr, wo wir auf die Zuschauer verzichten mussten, haben wir, um dies zu kompensieren, unseren Sponsoren und Partnern Ersatzleistungen im digitalen Bereich angeboten.
Wenn man über so treue Sponsoren und Partner verfügt, wie wir das tun, dann findet man auch immer Lösungen. Es gibt auch Partner, die froh waren, dass wir das Turnier auch in schlechten Zeiten durchführen und die wissen, was wir damit für ein Risiko eingehen. Man ist über die Zeit der Pandemie sogar insgesamt näher zusammengewachsen und die Partnerschaften haben sich vertieft. Alles lief sehr positiv.“
Welche wirtschaftlichen Auswirkungen werden US-Open-Siegerin Emma Raducanu und Ex-Weltranglisten-Erste und zweifache Major-Siegerin Simona Halep auslösen, wenn sie beim Upper Austria Ladies 2021 an den Start gehen?
„Im Kartenvorverkauf und im Ticketing wird man es auf jeden Fall stark merken. Aber auch die internationale Aufmerksamkeit, die man dadurch erregt, wäre zu spüren. Linz bzw. Upper Austria ist dann auf der ganzen Welt präsent. Diese Werbeleistung ist für unser Turnier unbezahlbar.“
Neben dem Upper Austria Ladies verantworten Sie auch das Herrentennisturnier Hamburg European Open – welche Unterschiede gibt es im Management und in der Organisation zwischen einem Frauen- und einem Männerturnier?
„Man merkt die Unterschiede vor allem in der Vermarktung. Es ist leichter, ein Herrenturnier zu vermarkten als ein Damenturnier. Es gibt einfach mehr Interesse für Männersport und da sind wir auch wieder beim Thema Männer- vs. Damensport. Auch medial ist man mit einem Herrenturnier präsenter und das versuchen wir zu ändern. Wir haben zum Beispiel in Hamburg dieses Jahr erstmals ein Herren- und Damenturnier back-to-back veranstaltet und haben gemerkt, dass vor allem in Hamburg die Medien das Damenturnier extrem unterstützt haben. Ich finde es wichtig und richtig, dass man über beide Turniere gleich viel berichtet.“
Man hat Sie bei Sport & Marke 2021 zum Thema „Frauen im Sportmanagement“ gehört – Auf welche Vor- und Nachteile trifft man als Frau im Sportmanagement?
„Der Nachteil ist, dass man nicht immer ernst genommen wird. Ich habe vor allem früher immer überlegen müssen, was ich sagen soll und was nicht. Wenn man Erfahrung und Reife hat und älter wird, denkt man nicht mehr so stark darüber nach. Jetzt sage ich einfach, was ich mir denke. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man sich keine Gedanken macht, ob man als Frau etwas sagen kann und wie es ankommt.
Natürlich bin ich in einer Männerdomäne aktiv. Bei ATP-Sitzungen sind 100 Männer und zwei Frauen. Jedoch macht mir dies nichts aus, denn mir ist egal, ob du ein Mann oder eine Frau bist. Ich hoffe auf jeden Fall, dass ich Mädchen und junge Frauen dazu motivieren kann, vielleicht auch einmal so einen Berufsweg zu gehen oder sich mehr zu engagieren in der Welt des Sports.“