David Morgenbesser, Bereichsleiter Sportrechte und Distribution Servus TV, spricht im Exklusiv-Interview mit sportsbusiness.de über die Sportrechte-Strategie des Salzburger Senders, welche Trends in den kommenden Jahren zu erwarten sind und ob man das Modell auch für Deutschland kopieren kann.
++ sportsbusiness.de exklusiv – das Gespräch führte Michael Fiala ++
Spricht man in der Branche über Sport & TV, so kommt man seit einiger Zeit an ServusTV nicht mehr vorbei. Champions League, Formel 1, Moto GP oder UEFA Euro 2024 – um nur einige wenige zu nennen – sind Top-Rechte, die unter Morgenbesser geholt wurden. Doch wie sieht die Strategie dieser Deals genau aus und welches Zusammenspiel braucht es als Vollprogrammsender? Warum gibt es keinen eigenen Sport-Sender von ServusTV und warum hat man derzeit bei der Deutschen Bundesliga gegen die ARD noch keinen Auftrag? Und wie wird sich der Medienkonsum weiter entwickeln und was hat dies alles mit der neuesten Entwicklung „ServusTV On“ zu tun. Fragen, die Morgenbesser im exklusiven Interview mit Michael Fiala beantwortet.
ServusTV hat in den vergangenen Jahren massiv in Sportrechte investiert. Welche konkreten Ziele hat man sich damit gesetzt und welche wurden auch schon erreicht?
David Morgenbesser: Wir hatten vor zwei Jahren das Ziel, den bestmöglichen Sport in den drei Kategorien zu bringen: Motorsport, Fußball und Sport mit nationalem Bezug/Interesse. Im Sportrechtemarkt gibt es dann immer Ausschreibungszyklen. Es kamen dann in den vergangenen zwei Jahren drei, vier große Weichenstellungen, was die großen TV-Rechte betrifft. Da haben wir daran teilgenommen und ein gutes Stück vom Kuchen abbekommen.
Wie kann man solche Ausschreibungen dann zu seinen Gunsten beeinflussen? Geht es nur ums Geld?
Nein, das hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Da geht es einerseits darum, welche Nachfrage es auf dem Markt gibt oder welche Player gerade aktiv sind. Wir haben das Momentum dann für uns genutzt und konnten bei den Ausschreibungen mit unserer Übertragungsqualität punkten, die wir in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt haben. Mit Champions League, Formel 1 oder Grand-Slam Turniere im Tennis sind wir dann definitiv in neue Kategorien vorgestoßen.
Und die Ziele?
Unser Ziel war serielle Premium-Rechte an Land zu ziehen. Und wir wollten Österreich als eigenen Markt entwickeln. Was uns gut gelungen ist. Man muss aber auch ehrlich zu sich selbst sein: Übergeordnet ist natürlich Deutschland der Hauptmarkt. Und wenn ein Rechtehalter sich dazu entscheidet, die Märkte für DACH auszuschreiben, dann besteht für kein österreichisches Medienhaus die Chance finanziell mitzuhalten.
Also beispielsweise auch keine Highlight-Rechte für die deutsche Bundesliga?
Wenn die DFL die Medienrechte für die DACH-Region ausschreibt und die ARD für die Highlightrechte, welche sie dann in der Sportschau verwerten will, mitbietet, sind wir raus, das können wir nicht stemmen und refinanzieren.
Das heißt: ServusTV müsste speziell in Deutschland noch wachsen, damit man für diese Art von Rechten in Frage kommt?
Österreich hat den Weg vorgezeigt: Wir werden immer nur Rechte erwerben, die auch zum organischen Wachstum passen. Das ist immer marktabhängig. Wir haben in Deutschland einen Marktanteil von 0,4 Prozent. Da ist noch Luft nach oben. Es gab übrigens in Deutschland ein abschreckendes Beispiel, als TM3 mit damals 0,8% Jahresmarktanteil die Rechte an der Champions League erworben hat. Das hat zwar punktuell zu einer Marktanteil-Steigerung geführt, aber das Produkt hat nicht gepasst. Der Rechte wurden nach nur einer Saison wie zu RTL und Premiere verkauft. Wir haben in Deutschland aber auch tolle Rechte gekauft: DEL, nationale ATP Turniere, Moto GP oder Handball Champions League.
Liegt der Fokus in der Entwicklung von ServusTV daher eher auf Deutschland?
Nein, wir nehmen Österreich nicht aus dem Fokus, das ist unser Kernmarkt, unsere Heimat. Da wollen wir noch viel stärker wachsen und das hat daher klare Priorität. Aber Deutschland ist natürlich auch im Fokus. Hier braucht es mehr Geduld, weil der Markt viel größer und umkämpfter ist als in Österreich und die anderen Sender viel mehr Power haben.
Welche Ziele hat man sich dann mit den erworbenen TV-Rechten in Österreich gesetzt?
Wir wollen durch den Sport unser organisches Wachstum stärken, so wie wir es auch mit den Bereichen News oder Vorabend-Programm, eigenen Sendermarken wie Bergwelten bzw. den Talk-Formaten bereits geschafft haben. Mit den Top-Sportrechten haben wir natürlich noch mehr Nachfrage erzeugen können. Es ist aber auch so, dass jemand, der Bergwelten schaut, dann auch möglicherweise Champions League auf ServusTV konsumiert oder umgekehrt. Mit dem Sport haben wir den Gesamtmarktanteil als Vollprogramm jedenfalls klar gesteigert: 3,4 Prozent im Jahr 2020 und dann 3,7 Prozent im Jahr 2021. Wir waren aber auch positiv überrascht, dass es zum Teil des Sports so gut funktioniert.
Inwiefern überrascht?
Nehmen wir das Beispiel der Formel 1 her. Da war der Seher seit je her gewöhnt, die Übertragungen ausschließlich auf ORF zu sehen. Dass wir da bereits im ersten Jahr auf Augenhöhe agieren können, hat uns positiv überrascht. Es ist aber auch der sehr guten Arbeit des gesamten Formel 1 Redaktions- und Produktionsteams zu verdanken, mit Tanja Bauer und Christopher Renz in der Verantwortung.
Sie haben es schon einmal in einem Interview angedeutet, dass die Interessen der TV-Seher in Punkto Sport in Österreich und Deutschland ziemlich unterschiedlich sind. In Deutschland gibt es Fußball, Fußball, Fußball und dann lange nichts. Heißt das aber nicht auch, dass die Steigerung der Relevanz in Deutschland nur über Fußball funktionieren kann?
Der schnellste Weg geht über Fußball, ja. Aber unser Weg muss sein, so wie in Österreich, dass man als Vollprogrammsender auch in andere Bereiche investiert, um ein verlässliches Programm für sieben Tage die Woche anbieten zu können. Dann kann man punktuell mit Fußball oder anderen Sportarten erweitern. Es würde nichts bringen, jetzt in teure Fußballrechte zu investieren, die einen Peak an einem Tag bringen. Zuvor braucht es zudem auch harte Knochenarbeit in der Distribution, wie etwa das Programmlisting in den technischen Produkten der TV-Hersteller, etc. Das sind alles extrem wichtige Elemente, in der Programmliste unter den Top 5 oder 10 zu sein. In Österreich haben wir das bereits geschafft.
Die klassische Refinanzierung der TV-Sportrechte steht bei ServusTV aber noch nicht im Vordergrund oder?
Natürlich sind auch wir von Zahlen getrieben und müssen Sportrechte refinanzieren. Die Refinanzierung ist allerdings breiter aufgestellt, als einfach Werbung zu verkaufen, die das einspielen muss. Wenn wir ein Sportrecht wie die UEFA Champions League kaufen, erwarten wir einen Abstrahlungseffekt auf unser gesamtes Produkt, wodurch die Tarife insgesamt steigen werden. Wenn wir dann auch noch unser digitales Produkt vermarkten, ist es einfacher, wenn wir Premium-Rechte haben. Zudem steigt die mediale Berichterstattung über ServusTV ganz generell massiv an, wenn wir Rechte wie die UEFA Champions League oder die UEFA EURO 2024 erwerben. Das hilft einem jungen Sender, der erst elf Jahre alt ist, enorm.
Das Nutzungsverhalten hat sich stark verändert, weshalb jetzt auch „ServusTV On“ aus der Taufe gehoben wurde. Welche Ziele hat man sich mit dem digitalen Kanal gesetzt?
Die Konvergenz der Medien ist hier natürlich der Treiber dieser Entwicklung. Wir müssen uns nicht hinter digitalen Pay-TV-Kanälen verstecken und haben für einen Free-TV-Sender ein Angebot, das glaube ich einmalig ist in Europa. Es gibt so viele Premium-Rechte und gesamt 40 Sportprodukte, die wir auf „ServusTV On“ zeigen und auf einer Plattform vereinen können. Mein Dank gilt hier auch Stefan Weger, der das Digitalprodukt leitet – er ist ein extrem kreativer Kopf. (>> Alle Informationen zu „ServusTV On“)
Welches Potenzial sehen Sie?
Bereits 26 Prozent der Österreicher nützen vorinstallierte Apps auf den Geräten. Wenn sich jemand nun einen Samsung-Fernseher kauft, dann geht er auf die ServusTV-App. Das eröffnet uns natürlich viele, neue Möglichkeiten und neue Reichweiten. Dieser Trend wird sich noch verstärken. Das Produkt braucht aber auch einen Namen – diesen haben wir jetzt mit „ServusTV On“. In fünf bis zehn Jahren wird keiner mehr wissen, welche Verbindung der Fernseher eigentlich hat. Am Ende des Tages geht es über das Internet, um On-Demand-Inhalte nützen zu können.
Apropos Zukunft: Wie hoch wird die lineare Wertigkeit des TV-Senders in fünf bis zehn Jahren aussehen?
Es ist ein Trugschluss, wenn man glaubt, dass das lineare Fernsehen wegfallen wird. Es wird immer ein Teil unseres Medienkonsums sein. Der Unterschied wird sein, dass man nicht mehr merken wird, auf welche Art und Weise man es empfangen wird. Es wird auf die digitale Konsumation herauslaufen. Die Plattformen werden auch verschwimmen, man sieht es ja beispielsweise bei Sky, wo man Netflix & Co ebenfalls konsumieren kann.
Es gibt in Österreich ja auch viele Diskussionen um den ORF-Player. Wäre das etwas für ServusTV?
(schmunzelt) Wir haben ja gerade „ServusTV On“ gelauncht. Ich glaube, das beantwortet die Frage ganz gut.
Man könnte ja auf beiden Plattformen vertreten sein …
Wir verschließen uns grundsätzlich nicht und waren auch immer offen für die Idee eines Austria Players, der bislang an den Markt-Realitäten gescheitert ist. Jetzt konzentrieren wir uns auf unser Wachstum mit ServusTV On.
Was spricht eigentlich dagegen, dass es einen zweiten Sender von ServusTV gibt mit reinem Sport-Content?
Wir sehen derzeit nicht die Nachfrage in Österreich, um so einen Sender zu starten. Es gibt mit ORF Sport+ ein sehr gutes Produkt in diesem Segment. Wir wollen mit ServusTV ein Vollprogramm mit einem Kanal sein. Da gehört Sport als Säule dazu, aber es gibt keine Ausrichtung für einen linearen Sportkanal. Und mit 40 Sportprodukten bei ServusTV On bieten wir ohnehin ein sehr umfassendes Angebot für Sportfans.
Wie wird sich der Sportrechtemarkt aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren entwickeln. In den vergangenen Jahren gab es viele Tendenzen, nicht immer zum Vorteil des Konsumenten, wenn man zum Beispiel bedenkt, dass man oft zwei oder drei Abos braucht, wenn man seinen Lieblingsklub verfolgen möchte ..
In Deutschland braucht man zum Teil sogar vier Abos, um seinen Lieblingsklub auf allen Bewerben zu verfolgen: Sky, Dazn, Prime und RTL Plus mit Gesamtkosten von über 700 Euro pro Jahr, wie Statista errechnet hat. Es ist aber schwer abzusehen, wie sich das in Zukunft entwickeln wird. Das hängt einfach meist davon ab, ob ein Player den Markt betritt und dann auf einmal absurde Summen zahlt und sich somit die Rechte sichert und andererseits was der Rechtehalter aktuell für Interessen hat. In Deutschland und Österreich hat man aber gesehen, dass Rechtehalter wie die UEFA doch auch wieder Free-TV stärker in den Fokus rücken, weil der Druck der Sponsoren größer geworden ist. In Österreich ist so viel Fußball wie noch nie im Free-TV. Der derzeitige Trend ist aber sicherlich so, dass man Free-TV wieder mehr einbindet als noch vor ein paar Jahren. Das kann sich aber auch schnell wieder ändern, denn am Ende des Tages zählt auch die Summe, die dafür gezahlt wird.
Sportrechte ServusTV im Überblick
• Formel 1 AT: ab 2021 bis inkl. 2023 (Rennaufteilung 50:50 mit dem ORF)
• Formel 2, Formel 3, Porsche Supercup (nur online bei ServusTV On)
• MotoGP AT/DE: bis inkl. 2023
• Superbike AT/DE: bis inkl. 2022
• WRC – Rallye WM: bis inkl. 2022 (linear Powerstage/mehr bei ServusTV On)
• DTM AT/DE: aktuelle Saison 2022 (bei ServusTV On)
• FIA World Rallycross: AT/DE: aktuelle Saison (nur online bei ServusTV On)
• UEFA Champions League AT: ab 21/22 bis inkl. Saison 23/24
• UEFA Europa League AT: ab 21/22 bis inkl. Saison 23/24
• UEFA Conference League AT: ab 21/22 bis inkl. Saison 23/24.
• UEFA EURO 2024
• UEFA EURO 2028
• European Qualifiers to UEFA EURO 2024
• European Qualifiers to 2026 FIFA World Cup
• European Qualifiers to UEFA EURO 2028
• DFB-Pokal AT: bis inkl 2021/2022
• ATP Cup AT: seit 2020 (linear Spiele von Österreich/alle Spiele bei ServusTV On)
• Australian Open AT: bis inkl. 2022
• Generali Open Kitzbühel: bis inkl. 2022
• Erste Bank Open AT: ab 2020 bis 2024
• Mercedes Cup ATP 250 Stuttgart – nur ServusTV Deutschland
• bett 1 Open WTA 500 Berlin – nur ServusTV Deutschland
• Hamburg European Open – nur ServusTV Deutschland
• America’s Cup: 2021 (online bei ServusTV On)
• SailGP: (online bei ServusTV On)
• Highlight-Rechte an heimischen ÖSV-Bewerben: bis inkl. 2026/27 (Ski Alpin, Skispringen, Ski Nordisch, Snowboard & Freestyle sowie der FIS Alpinen Junioren WM 2023) – bei ServusTV On
• Naturbahnrodeln (Weltcup-Highlights – bei ServusTV On)
ServusTV On – 25.4. bis 7.5.2022
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