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Kitzbühel-Tourismus: Mit Co-Creation zu einem Zukunftsbild [Exklusiv]

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Viktoria Veider-Walser ist Geschäftsführerin von Kitzbühel Tourismus. Ein schwieriger Job in herausfordernden Zeiten. Sie beherrscht ihn: 2021 wurde sie als Krisenmanagerin des Jahres gekürt. Im Interview mit sportsbusiness.de spricht sie über die Aufgabe, eine starke Marke durch unsichere Zeiten zu führen.

++ sportsbusiness.de exklusiv von Georg Sander ++

Event-Tipp: Kitzbühel positioniert sich als legendärste Sportstadt der Alpen. Mit den jährlichen Hahnenkamm-Rennen wird ein weltweites Millionenpublikum erreicht. Wie wichtig ist die Markenstrategie für eine der bekanntesten Wintersportdestinationen weltweit? Welche Rolle spielen Sponsoren und das Zusammenwirken von Sport, Wirtschaft und Politik bei Großveranstaltungen? Wie sieht zukunftsgerichtete Destinationsentwicklung aus? Darüber spricht Viktoria Veider-Walser bei Sport & Marke am 2. Mai in Wien.

sportsbusiness.de: Kitzbühel ist eine der bekanntesten Wintersportdestinationen überhaupt, wie bekannt genau? 

Viktoria Veider-Walser: Wir sind eine der Top-Winterdestinationen, sowohl Top of Mind, als auch in der gestützten Bekanntheit – und das weltweit. 

sportsbusiness.de: Wie wichtig ist es, viele Events auf das ganze Jahr verteilt anzubieten? 

Veider-Walser: Die Hahnenkammrennen sind für uns die fünfte Jahreszeit. Da drehen sich die Uhren einfach anders. Kitzbühel hat 8.000 Einwohner:innen und an diesen drei Tagen kommen bis zu 90.000 Menschen in den Ort. Das ist ganz besonders. Die Medienpräsenz ist unbezahlbar. So viel Werbung, wie sich durch den Media-Reach ergibt, könnten wir uns nie leisten. Das ist unsere Grundlage. Aber Sie sagen es richtig: Alleine davon könnten wir das restliche Jahr nicht leben. Wir nutzen dieses Fenster der Möglichkeit und machen das Beste daraus. Es werden ja verschiedene Messages verbreitet, etwa, dass wir in der Abhaltung von Großveranstaltungen top sind, das bringt uns ganzjährig einen guten Ruf als Veranstalter. Somit gibt es beispielsweise auch viele Kongresse und Tagungen, das ist gerade in den Randzeiten sehr wichtig. Natürlich zeigen wir mit dem Rennwochenende unsere Skikompetenz und dass wir Lifestyle können. Das sind Themen, die wir glaubwürdig kommunizieren und das hilft uns den Rest des Jahres. Schlussendlich zählen aber die Qualität und das Erlebnis vor Ort. Da müssen wir uns auch abseits des Hahnenkammrennwochenendes laufend beweisen. 

sportsbusiness.de: Wie viele Nächtigungen gibt es an dem einen Wochenende im Verhältnis zum Rest des Jahres? 

Veider-Walser: Wir haben fünf Prozent aller Nächtigungen an diesem verlängerten Wochenende von Donnerstag bis Sonntag. Allerdings: Mehr als voll geht nicht. Der Wertschöpfungseffekt, der darüber hinaus geht, ist in der gesamten Region allerdings sehr groß. 

Die Qualität steht dabei immer an erster Stelle.  Letztlich geht es um darum, was ich für den Preis, den ich einsetze, erhalte. Daran arbeiten wir.

Viktoria Veider-Walser

sportsbusiness.de: Sehen Sie derzeit schon genügend Zielgruppen abgebildet? Kann, soll, muss, will man in die Breite gehen? 

Veider-Walser: Der Urlaubsgast muss ganzjährig ein attraktives Angebot haben. Natürlich sind wir ein Hotspot für Events, die Hahnenkammrennen sind das Filetstück, dann gibt es noch eine Vielzahl an anderen hochkarätigen Veranstaltungen. Unsere Zielgruppendefinition ist aber ganz klar. Auf B2C-Seite sprechen wir die sportlich Aktiven und eine anspruchsvolle Zielgruppe an, die auch den Lifestyle mit Kulinarik und Shopping genießt. Auf diese beiden konzentrieren wir uns in der Vermarktung und Bewerbung. Am Ende geht es um ein attraktives Produkt, mit dem wir überzeugen können. 

sportsbusiness.de: Kitzbühel wirkt in der Kombination aus Topsportevents, Kunst und Kulinarik eher nach Premium. Inwiefern möchte oder muss man auch andere Zielgruppen erreichen bzw. wie  wichtig ist es, auch Jüngere für Ski, Tennis und Co zu begeistern, damit diese dann später ebenfalls kommen? 

Veider-Walser: Einerseits versuchen wir Lebensstile abzubilden und zu bewerben. Damit werden soziographische Variablen wie das Alter oder das Herkunftsland sekundär. Dann arbeiten wir  intensiv am Angebot und Produkt vor Ort. Wir haben beispielsweise umfassende Trailrunningstrecken, arbeiten laufend an flowigen Bike Trails und haben als erste Region das  europäische Wandergütesiegel bekommen. Die Qualität steht dabei immer an erster Stelle.  Letztlich geht es um darum, was ich für den Preis, den ich einsetze, erhalte. Daran arbeiten wir.

sportsbusiness.de: Wie wichtig eine bzw. ist die Markenstrategie dabei? 

Veider-Walser: Markenmanagement ist das um und auf. Wir haben eine ausgesprochen starke Marke und dann muss man liefern. Das wollen wir sowohl mit unserem Angebot, als auch in der Kommunikation. Mit einer starken Marke und einer guten Kommunikation kann man sich in einem vom Produkt wenig heterogenen Angebot differenzieren. Was uns abhebt, ist unsere DNA: Wir sind über 750 Jahre alt, haben eine Geschichte und sind keine Retortendestination. Von dem her haben wir viel zu erzählen. Das heutzutage so wichtige Storytelling funktioniert bei uns ganz einfach, weil wir Stories und Geschichte schlichtweg haben. Hinzu kommt noch, dass wir als funktionierende Brand auch von Synergien mit ähnlich starken Marken in anderen Industrien profitieren. 

Die Hahnenkammrennen sind das Highlight des Jahres.

sportsbusiness.de: Können Sie umreißen, wie sich die Strategie entwickelt hat und in welche  Richtung sie weiter entwickelt werden kann/soll? 

Veider-Walser: Vor Covid hatten wir die Strategie Kitzbühel 365, da war unser Ziel ganz klar:  ganzjähriger Tourismus. Das ist für uns auch jetzt noch alternativlos. Man muss aber ehrlich sagen, dass die Pandemie diese Entwicklung gebremst hat. Mittlerweile sprechen viele von einer Polykrise. Das führt zu vielen Herausforderungen, wie zum Beispiel der Fachkräftemangel, aber unser Ziel bleibt es, ganzjährig ein attraktiver Lebensraum zu sein. Wir haben gute Voraussetzungen und dennoch viel zu tun. Zum Beispiel haben in der Corona-Krise einen Markenbildungsprozess gestartet, weil wir sehen, dass das Thema Tourismusgesinnung ein brennendes ist. Mit diesem Prozess versuchen wir, nicht nur touristisch, sondern im Lebensraum zu denken. Aus dieser co-creation ist ein Zukunftsbild entstanden, mit fünf Erfolgsmustern. An diesen arbeiten wir. 

sportsbusiness.de: Das Thema Klimawandel ist ein bestimmendes, die Bilder aus dem Frühwinter waren für die Branche mit Sicherheit nicht angenehm. Wie kann bzw. eigentlich muss eine Tourismusregion darauf reagieren, um zukunftsfit zu sein? 

Veider-Walser: Nachhaltigkeit ist sehr wichtig und wir leben vom Naturerlebnis. In jeder Studie oder Befragung ist das der Buchungsgrund Nummer eins. Wir sind gut beraten, dieses Erlebnis, soweit es uns möglich ist, zu schützen. Das machen wir und nehmen das sehr ernst, weil es einerseits um die Lebensgrundlage vieler geht und andererseits die negativen Externalitäten wie das Thema Verkehr ebenfalls belasten. Momentan ist die Diskussion sehr emotional, ich würde mir manchmal mehr Sachlichkeit wünschen – auf beiden Seiten. Es fehlt ein gegenseitiges Verständnis, dass es einerseits Lebensgrundlage ist, andererseits Lebensräume auch belastet. Was wir noch beobachten: „The tourist is always the other guy“. Am Ende des Tages sind wir alle mindestens einmal im Jahr selbst das Problem, nämlich die Touristen. Man vergisst oft, dass man selber gerne verreist und hier einfach selbst einen Beitrag leisten kann. Die Welt zu sehen ist immer noch ein Privileg, es wäre schade, wenn wir keine Wege finden, dass das auch den kommenden Generationen zu bieten. 

sportsbusiness.at: Ein Großteil klimaschädlicher Emissionen entsteht bei der Anreise. Haben Sie Datenmaterial, welche Transportmittel die Gäste der Region wählen bzw. Pläne, wie die Anreise  „grüner“ gestaltet werden kann? 

Veider-Walser: Man ist sehr bestrebt, alle notwendigen und möglichen Maßnahmen zu treffen und das betrifft auch die Anreise. Wir haben Kooperationen mit der Deutschen Bahn und der ÖBB für Direktzüge aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. Wir versuchen, dass man einfach und bequem mit dem Zug nach Kitzbühel kommt, bestenfalls direkt aus den Hauptballungszentren. Es gibt drei Bahnhöfe und einfacher, als beim Hahnenkamm direkt auszusteigen und in die Gondel ein, geht es nicht. Das funktioniert aber auch nicht von heute auf morgen. Je nach Region reisen sechs bis acht Prozent der Gäste mit der Bahn an. Am Ende des Tages können dem Gast nicht vorschreiben, wie er anreisen soll, nur ein Angebot unterbreiten und so viel Convenience im Urlaub anbieten, dass das Auto dann wenigstens vor Ort stehen gelassen wird. Daran arbeiten wir.


Im Rahmen unserer Zukunftsentwicklung diskutieren wir natürlich auch den Worst Case. Im Winter ist das natürlich das Wintererlebnis und somit Schnee. Die Wahrscheinlichkeit, dass gar kein Schnee mehr fällt, ist sehr gering, aber man sollte sich über ein Was-wäre-wenn Gedanken machen.

Viktoria Veider-Walser

sportsbusiness.de: Rechnen Sie damit, dass es politisch so weit kommen kann, dass Förderungen  beispielsweise nur noch „Green Events“ zugestanden werden bzw. wie kann und muss man sich auf  die sich ändernde Welt einstellen, um auch in 20, 30 Jahren noch Tourismusregion sein zu können?

Veider-Walser: Im Rahmen unserer Zukunftsentwicklung diskutieren wir natürlich auch den Worst Case. Im Winter ist das natürlich das Wintererlebnis und somit Schnee. Die Wahrscheinlichkeit, dass gar kein Schnee mehr fällt, ist sehr gering, aber man sollte sich über ein Was-wäre-wenn Gedanken machen. Auf Basis solcher Szenarien haben wir unterschiedliche Entwicklungstendenzen, auf die wir uns bei Investitionen, Strategien usw. stützen. Ein Beispiel: Der Winter wird sich langfristig nach oben verlagern, das ist klar. Somit verlagern wir Langlaufloipen etwa auf den Berg. Wir machen diese Dinge jetzt schon, denn ein schneearmer Winter kommt immer wieder und der Gast möchte sein Wintererlebnis. Was das Thema Nachhaltigkeit betrifft, versuchen wir bei Kitzbühel Tourismus bestmöglich nachhaltig zu arbeiten. Beispielsweise werden Projekte mit nachhaltigen Initiativen höher gefördert. Es gibt auch eine Reihe an Green Events, hunderte Kleinprojekte und diverse andere Zertifizierungen vor Ort – aber der größte Punkt ist und bleibt die Anreise. 

sportsbusiness.de: Wie sehen Sie das Thema „Green Events“? 

Veider-Walser: Das beste Green Event ist kein Event. So ehrlich muss man sein. Unser Anspruch ist es, die Belastung so gering als möglich zu halten und so gut als möglich zu kompensieren. Trotzdem sind  diese Bestrebungen gut, weil sie uns daran erinnern, wo wir überall darauf achten können, nachhaltig zu arbeiten.

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