(c) Max Brucker
Manuel Ortlechner spricht im ausführlichen Interview mit sportsbusiness.de über die Entwicklung des Fußballs in der Corona-Epidemie, seine eigene berufliche Laufbahn, die horrenden Finanzzahlen der Austria und was passieren muss, damit man irgendwann vielleicht einen Sportdirektor Manuel Ortlechner zu sehen bekommt.
sportsbusiness.de-Exklusiv – das Gespräch führte Michael Fiala
sportsbusiness.de: Die Corona-Epidemie hat auch den Sport in voller Wucht getroffen. Wie nimmst Du das Thema bisher wahr?
Manuel Ortlechner: Aus der Breitensport-Sicht tut es mir für die Beteiligten extrem leid. Ich bekomme zudem immer öfters mit, sei es über Playerhunter oder über meinen Bruder, der bei einem Verein im Innviertel aktiv ist, dass den Klubs langsam die Leute abhandenkommen, weil sie zum Teil auch auf andere Sportarten ausweichen, die derzeit erlaubt sind. Hier sehe ich ein großes Problem für Mannschaftssportarten, wenn eine gewisse Normalität nicht bald wieder erreicht wird. Diesen Zustand werden wir aber erst dann wieder erreichen, wenn die Impfung kommt oder ein Medikament zur Behandlung gefunden wird. Das ist die einzige Wahrheit, bis dahin braucht man den Leuten auch nichts vormachen. Je länger diese Sportarten ruhen, desto schwieriger wird es auch, diese Personen dann wieder zurückzuholen.
Und wie siehst du die Situation im Profisport?
Ich verstehe natürlich die Diskussionen, warum der Profifußball weiter spielen darf, obwohl es einen Lockdown gibt. Fußball ist halt die Weltsportart Nummer eins und gibt auch ganz vielen Menschen etwas. Und so bleiben die Leute mit dem Sport verbunden, das finde ich gut. Man hat im ersten Lockdown gesehen, als es nur noch Wiederholungen zu sehen gab, dass das eigentlich keinen interessiert. Wichtig ist aber auch, dass die Meisterschaft im Sinne einer gewissen Fairness weitergespielt werden kann. Damit meine ich die bereits aufgetretenen Corona-Cluster bei Klubs, die natürlich einen Einfluss auf die sportliche Leistung haben können…
Und für dich persönlich?
Es ist natürlich auch für mich wichtig, dass der Ball rollt. Einerseits für meine Arbeit für Playerhunter, aber natürlich auch für Sky, weil ohne Live-Fußball hätte ich auch keine Möglichkeit, im TV als Experte zu arbeiten. So kann ich einen Teil meines Einkommens weiterhin sicherstellen.
Wie hast du den Profifußball als Experte aber auch als reiner Konsument wahrgenommen?
Als Konsument hat es mir unglaublich weh getan. Ich habe selbst als Profi zwei, drei Geisterspiele erlebt und man nimmt dem Spiel damit die komplette Würze. Auch wenn die Spieler am Platz alles geben, es ist einfach nicht dasselbe. Als dann zumindest ein Teil der Fans wieder zugelassen wurde, waren auch die Übertragungen im TV schon gefühlt wieder komplett anders. Man muss aber akzeptieren, dass es so ist, wie es derzeit ist. Ich habe daher auch nicht verstanden, dass sich in Österreich einige Fußballfunktionäre so derart negativ geäußert haben. Das war nicht fair, vor allem auch nicht den vielen anderen Sportarten gegenüber, die leider zum Zuschauen verdammt waren.
Glaubst du, dass sich der Profifußball durch die Corona-Krise auch nachhaltig verändern wird? Aus Spielersicht hat sich jetzt schon einiges verändert. Die Gehälter können nicht mehr so gezahlt werden wie früher, hier hat es jetzt schon einen großen Einschnitt gegeben. Große Vereine, die von einem einzelnen Gönner abhängen, haben derzeit vielleicht noch nicht die großen Probleme. Aber Klubs, die von Sponsorings und Eintrittsgeldern abhängen, spüren die Krise natürlich jetzt schon stark. Wenn dann Klubs, die im Sponsoringvertrag angeführten Leistungen aufgrund von Geisterspielen oder Lockdown nicht mehr oder nur zum Teil erfüllen können, wird es natürlich langsam unangenehm. Oder wenn Sponsoren selbst in eine wirtschaftliche Schieflage geraten und die Zahlungen nicht mehr leisten können. Die Verflechtung zeigt sich hier sehr stark. Ich habe hier auch eine deutliche Veränderung zwischen dem ersten und dem zweiten Lockdown wahrgenommen.
Welche?
Beim ersten Lockdown gab es noch eine größere Solidarität zwischen Klubs und Sponsoren. Jetzt hört man schon immer öfters, dass Sponsoren reduzieren müssen und daher das Engagement ebenfalls überdenken müssen.
Wie nimmst du in diesem Zusammenhang die Diskussionen um einen neuen Vertrag mit David Alaba wahr?
Ganz grundsätzlich kann ich sagen, dass man natürlich in der aktuellen Zeit als Spieler keine bessere Verhandlungsposition hat als noch vor einem Jahr. Wenn die Einnahmen in fast allen Bereichen sinken, muss man auch die Ausgaben senken. Zu David Alabas speziellen Fall kann ich nichts sagen, weil ich da keinen Einblick habe. Ich glaube auch nicht, dass die Gehälter nach einer Normalisierung der Lage wieder rasch steigen werden. Das werden die Spieler noch einige Zeit spüren.
Aber glaubst Du, dass der Fußball an sich aus der Krise etwas lernen wird?
In Ländern, wo ein Großteil der Einnahmen durch den TV-Vertrag generiert wird, wird sich so lange nichts ändern, solange auch der Geldfluss nicht unterbrochen wird. In Österreich ist dies natürlich anders, hier hat der TV-Vertrag eine andere Dimension. Man merkt jedenfalls, wie abhängig die Klubs vom ständigen Fluss der Finanzen sind. Wenn dieser Kreislauf unterbrochen oder stark reduziert wird, schaut es auf einmal nach wenigen Monate sehr schnell sehr schlecht für manche Vereine aus.
Themenwechsel: Wie sieht dein persönlicher Lebensweg seit dem Ende Deiner Profikarriere eigentlich aus?
Nach Ende meiner Profikarriere und als ich bei der zweiten Mannschaft noch gespielt habe, bin ich bei der Austria fließend in das Bildungsprojekt „VIOLAFIT“, das von Sponsor und Vizepräsidenten Raimund Harreither ins Leben gerufen wurde, eingestiegen. Das hat mir gut geholfen, um einen Einstieg zu finden. Ich habe parallel dazu mein MBA-Studium inkl. Masterarbeit abgeschlossen.
Dann ist auch relativ rasch das Engagement bei Sky gekommen. Das Sammeln von Medienerfahrung ist für mich ganz wichtig. Und nachdem ich immer schon Taktikverliebt war, macht mir das auch sehr viel Spaß. Ich hoffe, dass ich das mit Sky zukünftig auch noch stärker ausleben kann.
Grundsätzlich glaube ich, dass ich bei meinem Herzensklub Austria noch einen Tick kritischer bin als bei anderen Klubs. Mein Anspruch ist es aber, immer neutral zu sein. Meine Präsenz im TV ermöglicht es auch, mit Partnern aus der Wirtschaft zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus habe ich auch zwei langjährige CSR-Projekte mit Caritas und „Licht für die Welt“. Hier gibt es auch einige Projekte, die wir künftig umsetzen werden wie zum Beispiel einen Charity Lauf. Ich arbeite auch gerne im Startup-Umfeld. In den nächsten Tage finalisiere ich ein Investment bei einem super spannenden Startup namens „RETURN ON ART“. Hier werden aufstrebende Künstler über eine Plattform direktvertrieben – eine gewisse Kunstaffinität – ich fotografiere ja auch leidenschaftlich gern mit meiner Leica – hilft mir hier zum Grundverständnis!
… und dann gibt es ja auch noch Playerhunter …
… genau, dazu wollte ich gerade kommen. Gerade in meiner Findungsphase nach der aktiven Karriere hat mich Playerhunter quasi in einer Art Kaltaquise via LinkedIn kontaktiert. Das Projekt hat mich relativ rasch angesprochen, also Spieler und Vereine zusammenzubringen, ohne dass man zwangsweise Beziehungen oder Spielerberater dazu braucht. Wir finden, es sollte jeder von der gleichen Startlinie aus seine Chancen haben dürfen. Ich habe dort investiert und bin auch operativ drei Tage die Woche tätig. Natürlich ist momentan keine leichte Zeit, weil wir genau im März in die Monetarisierungsphase gegangen wären. Hier hat uns der erste Lockdown mit der Einführung eines Bezahlmodells von 99 Euro pro Jahr natürlich zurückgeworfen. Gleichzeitig hatten wir den Rollout nach Deutschland und Serbien…
Was sind Deine Aufgabenbereiche bei Playerhunter?
Einerseits kümmere ich mich um das Wachstum der Plattform. Zudem bin ich für den Außenauftritt in den sozialen Netzwerken verantwortlich, ich setze es auch selbst um. Dazu helfe ich bei Funding & Co. mit – wir sind ein kleines Team, mit vielen Verantwortungsbereichen.
Wie funktioniert das Business-Modell von Playerhunter?
Man kann als Vereinen einen “Job” kostenlos posten, um es auszuprobieren. Für weitere “Jobs” wird dann eine Gebühr fällig, die 99 Euro pro Jahr ausmacht. Das sollte auch für kleinere Vereine stemmbar sein. In Serbien testen wir aber auch gerade ein Angebot für den b2b-Markt, wo wir schauen, ob wir auch die Spieler dazu bewegen können, für unser Angebot zu zahlen. Weiters testen wir noch Targeted-Advertising und im Sommer gibt es in Kooperation mit dem 1. FC Köln Fußballcamps…
Playerhunter setzt also auf die direkte Vermittlung ohne Spielerberater. Inwiefern siehst du die Rolle der Spielerberater kritisch?
Im Profibereich stellt es sich für mich immer wieder mal so dar: Es gibt zwei oder mehrere, gleichwertige Spieler. Es kommt immer wieder mal vor, dass beim Transfer aber jener Spieler zum Zug kommt, dessen Spielerberater den besseren Draht zum Klub hat. Das finde ich unfair. Im Amateur- und Semiprofibereich tummeln sich leider auch immer wieder leicht dubiose Gestalten. Hier braucht es ein objektives Tool. Und das ist Playerhunter. Wir bekommen oft Dankesmails von Klubs, weil sie endlich objektiv und transparent Spieler gefunden haben, was zuvor meist in Abhängigkeit von Spielervermittlern passiert ist.
Eines deiner weiteren Standbeine ist, dass du als Testimonial von Unternehmen in Erscheinung trittst. Mit welchen Partnern arbeitest du aktuell zusammen?
Ein starker Partner mit dem ich im Rahmen meiner Sky-TV-Präsenz zusammengearbeitet habe, ist Spusu. Am Anfang haben die meisten noch gar nicht gewusst, welchen Pin ich da auf dem Sakko hatte. Mittlerweile ist Spusu eine bekannte Marke in Österreich. Die drei Spusu-Schlagwörter „Einfach. Menschlich. Fair“ haben auch gut zu mir gepasst, weil ich mich in den sozialen Netzwerken auch schon immer mit „Human. Father. Nice“ beschrieben habe. Auch die Art und Weise wie man im Unternehmen selbst agiert, hat sehr gut zu mir gepasst. Die Partnerschaft haben wir aber neu überdacht und wird ab 1. 1. 2021 wieder fortgesetzt, aber in einer etwas anderen Art und Weise. Bezüglich einer reinen TV-Partnerschaft bin ich aktuell in Gesprächen mit diversen Unternehmen, aber es gibt noch finale Abstimmungen – Corona tritt leider auch hier als erschwerender Faktor ins Spiel. Diese Kooperationen sind aber nicht nur auf eine reine TV-Präsenz beschränkt. Hier versuche ich mich auch immer Abseits der offiziellen vertraglichen Verpflichtungen einzubringen, sei es bei Veranstaltungen oder anderen Themen. Mit Multipower habe ich auch einen Partner im Bereich Sportnahrungsergänzungsmittel. Da ich noch immer sehr sportlich unterwegs bin, passt das sehr gut zu mir. Und dann gibt es noch meine Partnerschaft mit dem Autohaus John, die schon seit meiner Austria-Zeit besteht. Diese Themen eignen sich auch sehr gut, um zum Beispiel auf meinem Instagram-Account dann darüber auch zu posten, weil es einfach mein tägliches Leben betrifft. So wie auch meine Partnerschaft mit Grandits. Ich war immer schon modebewusst und habe einen eigenen Stil, auch hier kann man das gut in Szene setzen. Ich wurde schon oft gefragt, wo ich meine Anzüge her habe, wenn ich einen Auftritt bei Sky gehabt habe… (schmunzelt)
Bist du ausvermarktet?
Ich habe ja schon vor einiger Zeit eine Art Corporate Identity für mich entwickelt. Damals habe ich mir schon überlegt und geschworen, dass ich mal keine lebende Litfaßsäule sein möchte. Aber eine gewisse Anzahl von Partnern in unterschiedlichen Branchen kann ich authentisch vertreten. Mehr als fünf, sechs Partner sind meiner Ansicht nach aber nicht sinnvoll. Also kurz gesagt: Wenn es passt und die Branche noch nicht durch andere Partner belegt ist, könnte man noch über einen weiteren Partner nachdenken, vielleicht im Bereich der Sportkleidung. Hier habe ich schon die eine oder andere Idee.
Zum Abschluss müssen wir natürlich auch über „deine“ Austria sprechen. Zunächst aus sportlicher Sicht ..
… leider muss ich sagen, und es fällt mir nicht leicht, dass die Austria im Durchschnitt angekommen ist. Das ist als Sky-Experte dann aber auch meine verdammte Aufgabe, das Kind beim Namen zu nennen, auch wenn einige aus dem Austria-Umfeld dann mit mir schon mal hart ins Gericht gehen. Wenn ich so etwas im Fernsehen nicht mehr sagen würde, dann kann ich meinen Job eigentlich an den Nagel hängen…
Kommen wir zum Wirtschaftlichen: Vor wenigen Tagen hat die Austria verheerende Finanzzahlen veröffentlicht. Warst du überrascht?
Jein. Ich hab ja doch noch viele Bekannte am Verteilerkreis. Und zwischen den Zeilen konnte man schon raushören, wie schlecht es um den Verein finanziell bestellt ist. Somit war ich nicht wirklich überrascht. Vielleicht von der Höhe, ich dachte eher an die Hälfte, was ja auch schon verheerend genug wäre. Nicht wenige im Austria-Umfeld wünschen sich eine Art „Reset“ – nur glaube ich nicht, dass das passieren wird…
Was ist dir beim Austria-Geschäftsbericht aufgefallen?
Interessant ist für mich, dass Transfererlöse ins Budget miteinkalkuliert werden. Transfers sind schwer planbar und stellen für mich eher eine Variable bzw. Unbekannte dar. Bitter ist natürlich auch der Ausfall diverser Sponsorzahlungen. Die Austria hat aber das Glück, viele loyale Sponsoren zu haben, die dem Klub auch in schwierigen Zeiten die Treue halten. Das ist nicht selbstverständlich…
Blicken wir in deine persönliche Zukunft. Ist es vorstellbar, dass man dich zum Beispiel als Sportdirektor bei einem Klub sehen wird?
Ich habe ja mittlerweile einige Projekte begonnen, wie zum Beispiel „BE THE ONE“, ein Projekt zur Förderung des Frauen- und Mädchenfußballs, das sehr, sehr spannend ist, weil man so viel bewegen kann. Diese Projekte werde ich auch weiterhin betreuen. In diesem Zusammenhang habe ich mich aber schon auch immer wieder selbst gefragt, ob ich mir ein Engagement bei einem Fußballklub vorstellen kann – natürlich in einer Funktion, wo ich auch wirklich etwas gestalten kann. Es gab diesbezüglich auch schon den ein oder anderen Vereine auf dem höchsten Level in Österreich, wo es schon Anfragen als Sportdirektor gab. Die Frage ist aber dann: will ich dafür alle anderen Projekte aufgeben? In der aktuellen Phase bin ich noch nicht so weit, diesen Schritt zu gehen. Wenn mein Sohn dann einmal in die Schule geht und grundsätzlich auch weniger Betreuung brauchen sollte, wäre das schon vorstellbar, hier einen Umbruch einzuleiten. Der Vorteil an der Selbstständigkeit ist, dass ich mir selber aussuchen kann, was ich tun möchte. Das ist derzeit sehr wertvoll für mich. Zudem ist meine Frau sehr erfolgreich und wir haben uns auch dazu entschieden, in Umraum von Wien zu bleiben und hier auch verwurzelt sind. Es könnte aber auch sein, dass es mal einen Zeitpunkt gibt, wo sich das wieder ändert.
Aber so weit ich weiß, hast du eine Affinität zu New York?
Ja, absolut. Wir sind mindestens einmal pro Jahr dort und in der Regel hab ich auch dann auch meist einen Termin bei Red Bull New York zur Hospitation. Das Konzept dort ist schon sehr progressiv. Dieses Konzept muss man natürlich nicht kopieren und ist auch nicht überall erfolgreich. Aber das Hauptproblem bei vielen Klubs ist, dass sie gar nicht wissen, wie sie spielen wollen. Bei Red Bull als Beispiel ist dies anders, hier gibt es ein klares Konzept von unten nach oben und oben nach unten – diese Durchgängigkeit und Konsequenz in der Umsetzung imponiert mir.
Welche Voraussetzung müsste sonst noch gegeben sein, damit ein Job bei einem Klub von Interesse für dich ist? Ich merke es im Rahmen meiner Selbstständigkeit: Ich arbeite mit vielen Personen zusammen, die einen gewissen Grips, die ein Feuer in den Augen und ein Herz haben. Das vermisse ich ein wenig bei manchen Funktionären in Österreich. Ich denke, ich könnte bei einigen Vereinen mit einer super Präsentation Eindruck schinden. Am Ende steht und fällt es jedoch mit den Leuten, die dann aber Konzepte umsetzen müssen. Spannende Vereine gäbe es aber meiner Ansicht nach schon…
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