Im Exklusiv-Interview mit sportsbusiness.de spricht mit Anna Gasser eine der erfolgreichsten Snowboarderinnen über ihre Karriere, ob sie damit wirtschaftlich ausgesorgt hat, warum Begriffe wie Werbewert für sie nicht so relevant sind, welche Sponsoren sie noch reizen würde und warum Spontanität weiterhin ihr Leben bestimmen soll.
++ sportsbusiness.de exklusiv – das Gespräch führte Michael Fiala ++
In jeder Ära einer Sportart gibt es Persönlichkeiten, die den Sport prägen und auf eine neue Ebene heben, die eine ganze Sportart beeinflussen und Grenzen sprengen. Anna Gasser ist so eine Persönlichkeit. Vor wenigen Tagen hatte ihr neuer Dokumentarfilm „Tha Spark Within“ Premiere, der den Aufstieg von der jungen Turnerin zu einer der fortschrittlichsten Snowboarderin unserer Zeit zeigt. Anna Gasser – The Spark Within ist ab 16. November 2021 kostenlos auf Red Bull TV unter www.redbull.com/annagasser verfügbar und kann über alle gängigen Plattformen gestreamt werden.
Kurz vor der Premiere nahm sich Anna Gasser für ein Exklusiv-Interview mit sportsbusiness.de-Chefredakteur Michael Fiala Zeit. Eines ist bei diesem Termin schnell klar: Anna Gasser verstellt sich nicht, sie kommt 100% authentisch rüber. Und auch bei der offenbar etwas überraschenden Frage nach ihrem Werbewert weicht sie nicht von ihrer Linie ab, sondern reagiert offen und ehrlich. Es ist selten geworden in einer Zeit, in der SportlerInnen immer mehr gecoacht werden und die Antworten austauschbar geworden sind.
sportsbusiness.de: Anna, Du bist eine der erfolgreichsten Snowboarderinnen der Welt und hast eigentlich erst mit 18 Jahren begonnen, den Sport überhaupt auszuüben, also zu einem Zeitpunkt, bei dem Spitzensportler normalerweise schon 10 oder mehr Jahre trainiert haben. Wie kannst du dir das rückwirkend erklären, dass dieser Rückstand eigentlich gar keiner war?
Anna Gasser: Es war wirklich sehr untypisch. Aber mit dem Kunstturnen habe ich mir eine gute Basis erarbeitet, ohne dem hätte es sicher nicht geklappt. Ich habe als Kind sehr viel Sport betrieben, habe Tennis gespielt, geturnt und war auch im Ballett. Also eigentlich habe ich eine gute Grundausbildung gehabt. Mit 18 habe ich dann mit dem Snowboarden angefangen und es hat mich sofort fasziniert. Wichtig war auch, dass ich immer zu 100 Prozent an mich geglaubt habe, auch wenn viele gesagt haben, dass meine Ziele unrealistisch sind. Ich für mich habe das jedoch immer geglaubt. Das war sicher ein ausschlaggebender Punkt. Jetzt bin ich ja schon älter und es gibt SportlerInnen, die dann schon ausgebrannt sind. Ich fühle mich noch immer voll motiviert und voller Kraft.
Wann hast Du für dich gemerkt, dass es in Richtung Profisport geht?
Mein erster internationaler Bewerb war hier sicher ausschlaggebend. Da bin ich gleich dritter geworden und ich habe drei-, viertausend Euro gewonnen. Das war für mich damals extrem viel Geld und ich habe gemerkt, es könnte sich ausgehen, dass ich diesen Sport professionell betreibe und später eventuell sogar davon leben könnte. Das hat das Feuer in mir noch einmal entfacht.
Du bist medial sehr präsent, nicht zuletzt auch jetzt durch die Doku „Der Funke in mir“. Kennst du eigentlich deinen jährlichen Werbewert?
(denkt nach, lacht). Wie berechnet man den?
(lacht) Da gibt es Unternehmen, die hier ganz genau berechnen, wie viel Zeit du in den Medien mit deinen Sponsoren zu sehen bist und welchen Wert das generiert. Marcel Hirscher hatte mal in seiner besten Zeit einen Werbewert von über 10 Millionen Euro …
Nein, genau weiß ich das nicht. Ich kenne mich im Bereich Social Media aus. Da habe ich eine sehr große Community aufgebaut und weiß, dass dies einen gewissen Wert hat. Aber meinen genauen Werbewert kenne ich nicht (schmunzelt). Dafür habe ich mein Management, das kümmert sich dann darum.
Du hast Social Media angesprochen: Wo bist du derzeit aktiv, wo nicht mehr und wo wird man dich künftig sehen?
Ich muss sagen, dass ich auf Facebook nicht mehr so aktiv bin, das ist nicht mehr so aktuell. Am meisten aktiv bin ich auf Instagram. Das ist die Plattform, wo am meisten passiert von mir. TikTok ist bei mir noch ein schweres Thema (lacht), weil da kenn ich mich noch nicht so gut aus. Ich führe es noch nicht regelmäßig.
Machst du das alles selber oder hast du eine Agentur im Hintergrund, die dir hilft?
Mir ist es sehr wichtig, dass ich das selber mache. Ich habe zum Beispiel Instagram über all die Jahre aufgebaut und würde mir schwer tun, dies aus der Hand zu geben. Ich bekomme natürlich Hilfe bei den Fotos und Videos. Mein Glück ist, dass mein Freund gut filmt und fotografiert und mich hier unterstützt. Es ist mittlerweile fast so etwas wie ein zweiter Job.
Auf deiner Website werden derzeit neun Partner & Sponsoren aufgelistet. Würdest du sagen, dass du derzeit ausvermarktet bist bzw. wie viele Sponsoren verträgt eine charismatische Sportlerin wie du?
Ich bin sehr zufrieden mit meinen Partnern. Mit Burton habe ich den leading Snowboard-Partner, der auch von den Produkten sich immer weiter entwickelt. Mit Red Bull ist es ein Dream-Match, auch mit Audi oder Milka habe ich jetzt Partner dazubekommen, die ich mir immer gewünscht habe. Wenn ich jetzt nachdenke: Schmuck wäre auch mal nett, aber es ist nicht zwingend. Ich bin sehr zufrieden, wie es derzeit ist. Und man darf nicht vergessen, dass jeder Sponsor auch Erwartungen hat und man es jedem recht machen möchte. Da kommt irgendwann der Punkt, wo es nicht mehr sinnvoll ist, weitere Partner aufzunehmen. Es darf nicht unauthentisch werden.
Welche Voraussetzungen müssen für dich erfüllt sein, wenn du eine Partnerschaft mit einem Sponsor eingehst?
Es muss ein Produkt sein, hinter dem ich auch stehe und authentisch für mich ist. Es darf mich auch nicht im Sport hindern. Ein Sponsor muss Verständnis haben, dass ich im Winter relativ wenig Zeit für Sponsorentermine habe. Da kann ich nicht für eine Woche zu einem Shooting fahren.
Einer deiner neueren Partner ist Audi. Wie wichtig ist dir hier zum Beispiel das Thema Elektromobilität?
Ich habe ein Elektroauto von Audi, den Q4 e-tron. Wir haben im Sommer ein richtig cooles Video gedreht, wo ich mich auch so sehe, wie ich bin. Wir haben dort auch das e-Foil ausprobiert. Da kann ich so sein, wie ich bin und das sind glaube ich die besten Werbungen.
Inwiefern hat sich die Corona-Pandemie in Punkto Sponsoring bei dir ausgewirkt? Haben Sponsoren nachverhandelt, sind welche abgesprungen?
(denkt nach) Alle meine Partner sind geblieben, ich habe auch mit den meisten langjährige Verträge und mit Milka vergangenes Jahr sogar einen Partner dazugewonnen. Ich glaube für Milka war die Pandemie sogar ein sehr guter Zeitpunkt, weil man in der Pandemie vielleicht sogar mehr Schokolade isst als sonst (lacht). Das kann ich aus eigener Erfahrung jedenfalls sagen.
Aber gab es auch Sponsoren, die reduziert haben?
Doch, die gab es auch. Burton hat die Sportler für eine gewisse Zeit gebeten, zu reduzieren. Das habe ich auch eingesehen und auch von selber gesagt, dass ich dieses sehr familiäre Unternehmen dabei unterstützen möchte, durch die Pandemie zu kommen. Da hilft man sich gegenseitig.
Olympia 2022 ist dein nächstes, großes sportliches Ziel. Aber denkst du mit 30 Jahren bereits an die Zeit nach dem Sport? Was planst du für die „Karriere danach“?
Ein bisschen von beidem. Ich bin derzeit noch voll und ganz die Snowboardfahrerin, die Contestfahrerin. Ich hoffe auch, dass ich das noch eine Weile machen kann. Aber ich denke schon, dass ich mich auch mit anderen Projekten, wie etwa jetzt mit diesem Film, beschäftigen werde. Ich denke da an Tiefschneeprojekte und andere kreative Sachen. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies gut ankommt, auch wenn es keine Bewerbe mehr sind. Generell macht es mir viel Spaß, Content zu produzieren. Ich habe das in den vergangenen Jahren einfach gelernt. Ob ich vor oder sogar hinter der Kamera stehe – es ist beides möglich. Die besten Jobs ergeben sich glaub ich spontan. Dem Snowboardsport möchte ich aber auch nach meiner Karriere auf jeden Fall treu bleiben, zum Beispiel ein Camp mit Mädels zu machen. Das wären sicher Herzensprojekte, die ich gerne machen möchte.
Aber wenn ich das richtig raushöre, wirst du es auf dich zukommen lassen, ohne einen Plan zu verfolgen?
Ich habe da keinen Plan, überhaupt nicht. Mein ganzes Leben war bisher so spontan, so soll es auch bleiben.
Danke für das Gespräch!