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Der Einstieg von Decathlon in Österreich als Rechenaufgabe [Exklusiv]

Gábor Pósfai
(c) Romar Ferry

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In diesen Tagen eröffnet Decathlon in Graz die vierte Filiale im hart umkämpften Sporthandel in Österreich. Der Marktanteil von Decathlon liegt derzeit bei rund einem Prozent. Wie dieser massiv steigen soll, welche Rolle der Online-Verkauf spielt und wie man das B2B-Geschäft ankurbeln möchte, erklärt Gábor Pósfai, Geschäftsführer von Decathlon Österreich, im exklusiven sportsbusiness.de-Interview.

++ sportsbusiness.de exklusiv – das Gespräch führte Michael Fiala ++

sportsbusiness.de: Decathlon ist eine relativ neue Marke in Österreich, hat jedoch eine lange Geschichte. Wie sieht diese aus?

Decathlon ist ein französisches Unternehmen. Die erste Filiale wurde 1976 in Frankreich eröffnet. In den ersten zehn Jahren hat sich Decathlon nur mit dem Handel beschäftigt und dann hat man angefangen, eigene Produkte zu produzieren. Heute ist Decathlon – nach Umsatz – der größte Sporthändler der Welt. Als Produkthersteller ist Decathlon auch sehr stark – die Nummer drei der Welt nach Adidas und Nike. In den ersten Jahren gab es nur das Decathlon-Logo auf den Produkten und war somit eine No-Name-Brand. Nach zehn Jahren haben wir angefangen, die Eigenmarken zu gründen. Die bekanntesten Eigenmarken sind Quechua für Camping oder Tribord für Wassersport. Quechua ist zum Beispiel weltweit die Nummer eins im Camping.

Wann ist man aus Frankreich in den internationalen Markt gegangen?

1986 haben wir dann die erste Filiale im Ausland eröffnet – in Deutschland, Dortmund. Heute haben wir Filialen in 61 Ländern weltweit. In Österreich sind wir seit 2018 und haben im Juni 2022 unseren vierten Standort eröffnet. Decathlon ist in Österreich damit in Wien, Niederösterreich, Kärnten und der Steiermark vertreten.

Wie unterscheidet sich Decathlon zu anderen großen Sportartikelhändlern?

Was spezifisch für Decathlon ist, dass wir die ganze Wertschöpfungskette in der Hand haben. Dadurch können wir auch bessere Preise anbieten. Von der Idee, über Design bis zur Forschung und Entwicklung ist alles in unserem Haus. Wir haben viele Forschungs- und Entwicklungszentren, so können wir die Produkte mit unseren Partnern direkt testen. Nach einem der größten Mitbewerber hat Decathlon das meiste Geld für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Während Corona stellte es sich auch als großer Vorteil heraus, dass die gesamte Wertschöpfungskette in unserer Hand liegt. Natürlich hatte die Pandemie auch Einfluss auf unsere Produktion, aber wir konnten dadurch flexibler agieren.

Einer der stärksten Vorteile von Decathlon ist das Preis- Leistungsverhältnis. Also eine gute Qualität für einen immer günstigen Preis. Unser großer Player sind unsere Eigenmarken – diese betragen 85 Prozent unseres Umsatzes. Wir verkaufen zwar alle Marken, aber die Kunden kommen hauptsächlich wegen unserer Eigenmarken zu uns und der verlässlichen Preispolitik die ganz ohne Aktionen auskommt.

Die Frage war mehr das Businessmodell und ob es in Österreich funktioniert. Das war mehr eine rechnerische Aufgabe. Nicht einfach alles von Frankreich zu kopieren, sondern zu überlegen, was die Österreicher brauchen.

Gábor Pósfai

Wie sieht der gesamte Markt für Decathlon derzeit aus?

Wir haben 1.700 Filialen in 61 Ländern. Letztes Jahr haben wir 20 Prozent unseres Umsatzes online gemacht, vor Corona waren es 14 Prozent. Ich würde nicht behaupten, dass der stationäre Handel verschwindet, da ich überzeugt davon bin, dass es eine Balance geben muss zwischen offline und online. In Österreich hatten wir letztes Jahr sogar 38 Prozent des Umsatzes online gemacht. Auch, weil wir in Österreich derzeit nur vier Filialen haben.

Was war die Überlegung damals doch nach Österreich zu kommen?

Decathlon wollte lange Zeit nicht nach Österreich kommen, weil das ein sehr schwieriger Markt in Europa ist. Ein so kleines Land mit so vielen Mitbewerbern. Die Erwartungen der Kunden sind sehr hoch. Ich finde das gut – ich sehe eher das Potenzial als die Gefahr. Durch unsere niedrigen Preise ist es oft schwer, die Kunden davon zu überzeugen, dass wir trotzdem eine gute Qualität haben.  Das Potenzial in Österreich war immer da, die Kaufkraft ist hoch, die Österreicher geben sehr viel Geld aus für Sportprodukte, nur die Schweizer geben in Europa mehr Geld dafür aus. Das war nie eine Frage. Die Frage war mehr das Businessmodell und ob es in Österreich funktioniert. Das war mehr eine rechnerische Aufgabe. Nicht einfach alles von Frankreich zu kopieren, sondern zu überlegen, was die Österreicher brauchen. Von der Auswahl der Produkte über den Standort bis hin zur Werbepräsenz.

Wie sieht die weitere Strategie in Österreich aus?

Wir wollen ganz Österreich mit Flagship-Stores abdecken mit einer starken Online-Aktivität, weil die Welt in diese Richtung geht. Noch ein wichtiger Punkt sind Partnerschaften mit anderen Händlern. Ich schließe nicht aus, mit anderen Händlern zusammenzuarbeiten. Den Bereich Verleih möchten wir auch starten. Wir haben auch schon begonnen, gebrauchte Produkte zu verkaufen um die Nachhaltigkeit zu verstärken.

Sie haben gesagt, dass der österreichische Markt sehr speziell ist – wir würden Sie diesen beschreiben, was den Sporthandel betrifft?

Es gibt mehr Player als der Markt braucht. Österreich ist aber auch sehr sportlich. 73 Prozent der Österreicher machen regelmäßig Sport. Der Durchschnitt in Europa liegt bei circa 50 Prozent. Auch in älteren Altersklassen machen sehr viele Leute Sport und das ist eine zusätzliche Möglichkeit. In Ungarn zum Beispiel machen Menschen über 50 nicht mehr viel Sport. Die wichtigsten Sportarten sind Fahrradfahren, Skifahren und Wandern. Da sind die Erwartungen auch höher. Die Kunden haben die Kaufkraft, die letzte Innovation zu kaufen. Sie suchen immer nach den neuesten Produkten. In anderen Ländern sind Produkte mit dem zweiten oder dritten Preis viel wichtiger. In Österreich werden eher die hochwertigen Produkte gesucht. Das mussten wir in der Produktauswahl dann auch anpassen.

Derzeit haben wir ein bisschen mehr als ein Prozent. Aber das wussten wir auch, als wir in den Markt eingetreten sind. In Ungarn hat Decathlon beispielsweise 40 Prozent Marktanteil. Wir haben es also in anderen Ländern schon geschafft. Das Ziel für die ersten Jahre war auch, dass wir unser Konzept finden, das wir danach auch duplizieren können.

Gábor Pósfai

Es gab ja in den vergangenen Jahren immer wieder neue Player in Österreich. Wie groß ist denn der Kuchen?

Ungefähr 2,5 Milliarden Euro. Die größten Mitbewerber sind Intersport, Sport 2000, Hervis. Unsere Mitbewerber sind noch stärker als wir, allerdings haben diese auch schon eine längere Geschichte in Österreich.

Wie hoch ist der Marktanteil von Decathlon in Österreich?

Derzeit haben wir ein bisschen mehr als ein Prozent. Aber das wussten wir auch, als wir in den Markt eingetreten sind. In Ungarn hat Decathlon beispielsweise 40 Prozent Marktanteil. Wir haben es also in anderen Ländern schon geschafft. Das Ziel für die ersten Jahre war auch, dass wir unser Konzept finden, das wir danach auch duplizieren können. Wir sehen jetzt schon, was im stationären Handel wirklich gut funktionieren kann und danach können wir viel schneller wachsen. Mein Ziel war auch, dass wir als Sporthändler anerkannt sind. Das war auch das Problem für andere Player, die spät gekommen sind. Wir sehen eine große Abweichung zwischen den Leuten die uns schon besucht haben – die meistens eine gute Meinung haben und die Leute, die uns gar nicht kennen und sich etwas Bestimmtes über Decathlon denken. Deshalb müssen wir an unserer Bekanntheit arbeiten. Aber schon 24 Prozent der Österreicher kennen Decathlon, obwohl wir bis Juni nur drei Standorte eher im Westen Österreichs hatten.

Die Ziele für die nächsten Jahre – geht es da eher darum den Marktanteil zu steigern, und auch parallel dazu die Bekanntheit zu verstärken?

Ja, absolut. Wir müssen stark sein, wo unsere Einzugsgebiete sind. Wir haben auch die lokale Verantwortung bei lokalen Sportevents dabei zu sein, lokale Vereine zu sponsern. Unser Motto ist es, Sport allen zugänglich zu machen. Ich selber bin Tischtennisspieler seit 33 Jahren. Da habe ich auch meine professionellen Marken für die Ausrüstung – aber ich finde viele gute ergänzende Sachen bei uns. Decathlon richtet sich mehr  an Freizeitsportler, für Anfänger, für Jugendsportler. Das ist unser Ziel, hier tätig und aktiv zu sein. Wegen Corona konnten wir hier in den letzten zwei Jahren nicht so aktiv sein. Wir werden jetzt in den kommenden Monaten sehr viel daran arbeiten, dass wir für Vereine und Schulen Partnerschaften anbieten. Wir möchten so viele Leute wie möglich erreichen und vor allem auch Familien begeistern.

Die vierte Filiale wurde in Graz eröffnet – Bild: Romar Ferry

Wie sieht die konkrete Expansionsstrategie aus?

In Graz (Seiersberg-Pirka – siehe Bild oberhalb) haben wir jetzt eine neue und damit die vierte Filiale in Österreich eröffnet und in anderen Städten wie Linz, Innsbruck und Salzburg stehen wir in Verhandlungen und wollen so bald wie möglich auch hier Filialen eröffnen und vielleicht sogar eine dritte Filiale in Wien.

Wie sieht es mittelfristig aus – plant man auch mit Stores für kleinere Städte oder ist man mit dem Netz bis dahin zufrieden?

Wir hatten in Ungarn 2011 zwölf Filialen und mein Boss meinte, dass ab jetzt keine mehr dazukommen. Seitdem wurden dort  nochmal zwölf weitere Filialen eröffnet, weil wir so erfolgreich waren. Für mich gibt es noch andere Orte, wie Wiener Neustadt, St. Pölten oder auch Vorarlberg, die spannend sind. Wir haben diese Städte auch auf der Liste bzw. auf unserem Radar aber vorerst setzen wir auf unsere Prioritäten wie vorher erwähnt. Wenn wir da dann erfolgreich sind und es noch Sinn macht, zusätzliche Filialen anzugehen, dann gehen wir da auch weiter.

Aber für mich ist es nach diesen Städten noch wichtiger, eine starke Online-Plattform zu haben und nicht zu vergessen, die Skistandorte, die in Österreich sehr speziell sind und viele Anteile bringen. Hier hat Decathlon aktuell noch kein konkretes Konzept, wir haben zwar schon einige Testfilialen aber ich möchte eine attraktive Lösung für die Skistandorte finden. Entweder durch kleine Standorte oder einer Partnerschaft mit einem Händler.

Glauben Sie, dass es zu einer Konsolidierung des Marktes in Österreich kommen wird?

Ich denke schon, weil wir auch anhand der aktuellen Zahlen sehen, dass die Leute überlegen ob sie so viel Geld wie bisher für Sport ausgeben möchten oder können. Ich habe schon eine sehr große Krise in den Jahren 2009 und 2010 miterlebt und es ändert sich so schnell. Jetzt kommen wir alle hoffentlich ein bisschen aus der Coronapandemie heraus, aber dadurch kommen jetzt andere Herausforderungen auf uns zu.

Decathlon hat eine „Everyday Low Pricing-Strategie“ und das ist auch eine Herausforderung im B2B-Bereich oder bei Großbestellungen, weil die Leute einen sehr hohen Rabatt erwarten. Aber mein Prinzip ist, dass wir gar nicht mit dem Preis spielen. Wir haben zum Beispiel keine Sales-Periode im Jänner oder Juli, weil wir ständig niedrige und konkurrenzfähige Preise haben.

Gábor Pósfai

Wie sieht die Strategie bezüglich einer Online-Plattform von Decathlon aus?

Wo wir wahrscheinlich jetzt schon stärker als die Konkurrenz sind, ist unser internationales Netzwerk. Wir haben bereits Click & Collect Möglichkeiten oder auch Pick-up-Points. Für mich ist das Ziel, dass wir eine Plattform werden, wo wir auch andere Marken und andere Partner darauf haben. Wir möchten unsere Produkte nicht kannibalisieren, aber es macht schon Sinn, auf unserer Plattform nicht so getrennt zu arbeiten. Das ist alles ein Plan, jetzt möchten wir noch vorerst den Namen Decathlon verstärken und in Österreich bekannt werden.

Mit welchen Maßnahmen wird das Online-Business vorangetrieben?

Natürlich machen wir in Bezug auf digitales Marketing auch alles, was die anderen machen. Also Online-Banner oder Partnerschaften mit anderen Plattformen, wo Leute auf Decathlon klicken können. Auch die Neueröffnungen von Filialen helfen uns online. Wir haben immer wieder gesehen, wenn wir eine neue Filiale eröffnen, dann gibt es keine interne Konkurrenz, sondern im Gegenteil, wir gewinnen Onlinekunden von diesem Einzugsgebiet. Aber wir wollen noch andere Lösungen finden, um unsere Zielgruppe noch direkter ansprechen zu können.

Welche Rolle spielt das B2B-Geschäft?

Das haben wir vor einigen Monaten sehr stark mit diesem Thema angefangen. Wir haben jemanden rekrutiert, weil ich früher auch schon mehrmals gesagt habe, dass Vereinen, Schulen und Unternehmen, die Großbestellungen bei uns machen wollen, auch viel Professionalität geboten werden muss. Ich habe auch die Erfahrungen aus anderen Ländern, wo wir sehr viele Großbestellungen haben und wir daran arbeiten, dass Leute uns mehr kennenlernen und auch diese Möglichkeit haben, dass sie jemanden haben, der professionell beim Prozess helfen kann. Decathlon hat eine der breitesten Auswahl, deswegen ist es eine sehr große Möglichkeit für diesen Bereich und wir haben fast immer eine sichere Bestandssituation, was auch wichtig ist.

Decathlon hat eine „Everyday Low Pricing-Strategie“ und das ist auch eine Herausforderung im B2B-Bereich oder bei Großbestellungen, weil die Leute einen sehr hohen Rabatt erwarten. Aber mein Prinzip ist, dass wir gar nicht mit dem Preis spielen. Wir haben zum Beispiel keine Sales-Periode im Jänner oder Juli, weil wir ständig niedrige und konkurrenzfähige Preise haben.

Mit welchem Wachstum rechnen Sie im Geschäftsjahr 2022?

Wir haben mit einem größeren Wachstum gerechnet, als was wir jetzt sehen. Ich habe einen schnelleren Rebound nach Corona erwartet. Der Jänner 2022 war zum Beispiel wirklich unter den Erwartungen. Wir wollten beim Wachstum 50 Millionen Euro erreichen, letztes Jahr waren es 31 Millionen. Wir sind aktuell unter diesen Erwartungen. Wir werden sicher ein Wachstum erreichen und rechnen jetzt mit einem Umsatz zwischen 40 und 50 Millionen Euro.

Danke für das Gespräch!

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