Felix Gall hat es geschafft und ist Sportler des Jahres. Der erfolgreiche Radsportler freut sich über eine außergewöhnliche Auszeichnung und legt im Exklusiv-Interview mit sportsbusiness.de die wirtschaftliche Bedeutung dar.
++ sportsbusiness.de exklusiv von Georg Sohler ++
Seit Donnerstag ist es amtlich: Felix Gall ist Sportler des Jahres – eine tolle Leistung bei der Tour de France wird mit einer für einen Radfahrer außergewöhnlichen Auszeichnung gewürdigt. Es ist ein Titel, mit dem der Osttiroler nicht gerechnet hat, wie er im sportsbusiness.de-Exklusiv-Interview erklärt. Der 25-Jährige spricht über die Möglichkeit, die ein Radsportler hat, sich zu vermarkten und das Standing seines Sports – und welche Möglichkeiten sich durch die Auszeichnung nun ergeben.
sportsbusiness.de: Herr Gall, 2005 wurde Georg Totschnig Sportler des Jahres, davor waren es 1957 Adolf Christian und 1949 Richard Menapace. Welche Bedeutung hat der Sieg?
Felix Gall: Allein die Nominierung war schon etwas Cooles. Heuer sind so viele Dinge außerhalb meiner Vorstellungskraft passiert und das gehört auf jeden Fall dazu. Dass die breite Öffentlichkeit meine Leistungen derartig würdigt, hätte ich mir so nicht gedacht. Das ist schon etwas Besonderes, wenn man sich ansieht, wer in den letzten Jahren Sportler des Jahres geworden ist. Da ist ein Radsportler schon etwas Spezielles.
sportsbusiness.de: Dieses Jahr ist Ihr Durchbruchsjahr. Inwiefern hat sich Ihr Leben durch die tollen Auftritte bei der Tour de France verändert?
Gall: Es ist das größte Radrennen der Welt. Interessanter Fakt: Wenn man das Jahr unseres Teams ansieht, generieren die drei Wochen Tour de France über 60 Prozent unseres gesamten Werbewertes. An zweiter Stelle kommt die Vuelta mit 15, dann der Giro mit zehn Prozent. Wenn man die Königsetappe gewinnt und Top10 schafft, sieht man erst, was das auslöst. Generell bin ich über die Aufmerksamkeit aber schon überrascht. Es ist eine völlig neue Situation, mit der ich erst umgehen lernen muss. Ich will ja nicht, dass es meine Radleistung beeinflusst, da die Nebengeräusche wie Termine auch Energie kosten. Vor allem, weil ich auch einer bin, der Zeit für sich selbst allein braucht, um die Energie wieder zurückzubekommen. Die größte Herausforderung ist es, die Nebengeräusche so weit wie möglich zu reduzieren. In erster Linie ist man ja Sportler.
sportsbusiness.de: Weil Sie es ansprechen: Wie sehr ist mentale Gesundheit ein Thema?
Gall: Es gibt schon ein Bewusstsein dafür. Mein Team ist in Frankreich, wenn man daheim ist, ist man allein. Vor Ort wird auf einen geschaut, es gibt Psychologen, wie man daheim damit umgeht, muss jeder für sich herausfinden. Das muss nicht gleich ein Psychologe sein, sondern einfach eine Ansprechperson.
sportsbusiness.de: Ihre Vorgänger sind bekannt, David Alaba, Vincent Kriechmayr, Dominic Thiem oder Marcel Hirscher sind nationale oder internationale Superstars. Welche Bedeutung hat das nun auch für Ihre Darstellung in der Öffentlichkeit, auch hinsichtlich Monetarisierung Ihrer neuen Bekanntheit?
Gall: Als Radsportler ist es so, dass man beim Team angestellt ist. Das ist wie im Fußball oder allen Teamsportarten. Ich kann also keine individuellen Sponsorflächen zur Verfügung stellen, etwa am Helm. Man muss schon eine sehr hohe Popularität haben, dass eine Marke einen als Werbeträger für eine Kampagne haben will.
sportsbusiness.de: Dürften Sie als Testimonial auftreten, erlaubt das AG2R Citroën Team?
Gall: Das einzige Problem wäre, wenn mein privater Sponsor mit einem Teamsponsor kollidiert bzw. sie Konkurrenten sind. Aber noch einmal: Ich kann mir keinen Sticker darauf geben, wir müssen alle gleich aussehen.
sportsbusiness.de: Bildet das, was man im Radsport verdient bzw. verdienen kann, die Realität ab, wo der Sport im Vergleich zu Fußball oder US-Sportarten global steht? Laut Medienberichten haben Sie ein Jahressalär von 250.000 Euro, es gab nur knapp 4.000 Euro an Tour-Prämien, die Radsuperstars verdienen im einstelligen Millionenbereich, das schaffen durchschnittliche Kicker in den großen Ligen auch.
Gall: Das grundsätzliche Thema im Radsport ist, dass wir keine Tickets verkaufen. Das ist eine wichtige Einnahmequelle für Fußball und Co. Die Finanzierung der Radteams geht zu 90 Prozent über den Hauptsponsor. Wenn der abspringt, kann es schwierig werden, Ersatz zu finden. Ich will sagen: Man ist als Radteam sehr stark von einzelnen Sponsoren abhängig.
sportsbusiness.de: Wobei ein Radteam überschaubar teuer ist.
Gall: Ein durchschnittliches World Tour-Team hat rund 20 Millionen Euro Budget, wenige absolute Topteams wohl das Doppelte. Das ist im Vergleich zu den großen Sportarten nichts.
sportsbusiness.de: Zu Ihrem Standing: Wie wichtig ist es, dass in der ersten Reihe Österreichs Sportler:innen auch eine Randsportart wie Radfahren steht? Gerade auch, weil dieser Sport aufgrund bekannter Themen in den 2000ern in Österreich keinen guten Leumund hat.
Gall: Das ist eine schwierige Frage, wie die Öffentlichkeit oder die Journalist:innen damit umgehen. Der Radsport ist in der Breite in den letzten Jahren sehr populär geworden. Was ich aber auch jeden Fall weiß: Ich kann in 20, 30 Jahren noch immer da sein und meine Erfolge bleiben bestehen. Bei der Tour de France waren über drei Wochen nur sieben Sportler schneller. Ich kann jetzt natürlich für niemanden die Hand ins Feuer legen, aber ich glaube an einen sauberen Radsport. Wenn ich sehe, wo ich mitfahren kann, hat sich da sehr viel getan.
sportsbusiness.de: Apropos Doping, was man in Ausdauersportarten ja leider immer thematisieren muss: Inwiefern ist Doping heutzutage medial und auch bei Sponsoren ein Thema?
Gall: Es ist ein Thema. Aber was ich gerade gesagt habe, ist meine Antwort. Ich bin tief davon überzeugt, dass es sehr sauber ist, kann aber für niemanden die Hand ins Feuer legen: Wir sind auf einem guten Weg. Darüber hinaus ist es für viele Menschen wohl schon auch unvorstellbar, wozu der menschliche Körper imstande ist. Ich frage mich das selber auch, wie der Körper das verkraften kann. Wenn man sich die Etappen des übernächsten Tages anschaut, fragt man sich, wie man das schaffen soll. Nachdem ich die 17. Etappe gewonnen hatte, ging es mir die nächsten zwei Tage richtig schlecht. Dann kam der Morgen der 20. Etappe, ich werde wach, fühle mich elendig und wie ich mich auf’s Radl setze, ging es mir wieder sehr gut. Wenn Menschen, die ein Talent für Dinge haben, dem ihr Leben widmen, sind solche Leistungen möglich. Egal in welcher Sportart oder auch bei Künstlern. Außenstehende fragen sich oft, wie das möglich ist.
Felix Gall wird gleich zwei Mal ausgezeichnet: Aufsteiger und Sportler des Jahres 2023 (Foto: © Sporthilfe / Florian Rogner bzw. Gepa Pictures)
sportsbusiness.de: Gehen wir ein paar Schritte zurück. Sie waren offenbar ein sportliches Kind, haben sich dann für das Radfahren entschieden. Warum? War das eine Herzenssache?
Gall: Es war jetzt nie ein Kindheitstraum von mir. Ich habe ja Kollegen, die erzählen, dass sie schon als Kind vor dem Fernseher gesessen sind und Tour geschaut haben. Das war bei mir nie der Fall. Ich habe als Kind alle möglichen Dinge gemacht, mit 14 Jahren habe ich den Triathlon für mich entdeckt und das war die erste Sportart, die ich seriös betrieben habe, so weit das neben der Schule möglich war. Dabei ist mir aufgefallen, dass mir das Radfahren taugt, also habe ich mit dem Triathlon aufgehört. Ich hatte aber nicht gleich das Ziel, Profi zu werden, sondern wollte schauen, was möglich ist. Die Fortschritte passierten recht schnell, somit dachte ich, dass ich das verfolgen will. Es ist aber als Junior bzw. U23 ein langer Weg zum Profi. Man bekommt ja nicht über Nacht einen Profivertrag, aber mit 18, 19 Jahren hat man genau dieses Ziel.
Wenn man das Jahr unseres Teams ansieht, generieren die drei Wochen Tour de France über 60 Prozent unseres gesamten Werbewertes. An zweiter Stelle kommt die Vuelta mit 15
Felix Gall
sportsbusiness.de: Wie hat das Umfeld reagiert? Radsport ist eben nicht Fußball, vielleicht heißt es: Jetzt geh‘ erst einmal studieren.
Gall: Es gibt Fälle, in denen die Eltern Dinge vorantreiben. Meine haben mich in allem unterstützt, egal, was es war. Im Juniorenbereich ist man noch auf sich allein gestellt, wenn man U23 fährt und schon in einer Teamstruktur ist, verdient man nur ein paar hundert Euro im Monat. Aber das Material wird gestellt. Ich bin damals schon im Nachwuchsteam meines heutigen Teams gefahren. Das war schon alles sehr professionell, es gibt in dem Sinne keine Kosten wie Anreise und so weiter. Man muss nicht wie im Tennis Unsummen Geld hineinstecken, um etwas zu erreichen. Zudem war ich drei Jahre als Heeressportler engagiert, da ist man auch ab- bzw. versichert.
sportsbusiness.de: Wäre es ohne Heer auch gegangen?
Gall: Das ist eine super Einrichtung und Förderung. Das Geld, das man verdient, muss man auch investieren. Es gibt zwar Trainingslager mit dem Team, aber im Winter kann man in Osttirol nicht trainieren. Wenigstens muss man nicht das Ersparte reinstecken – ohne Heer wäre es aber auch gegangen, um ehrlich zu sein. Bei mir war das alles auch problemlos möglich. Es gibt aber auch wenige, die gleich als Junior die Chance haben, im Farmteam eines Profiteams zu fahren.
sportsbusiness.de: Sie sind 25 Jahre alt. Ex-Profi Rohregger ist heute Anwalt, Totschnig ist Immobilienmakler, Bernhard Kohl hat ein Radgeschäft. Was haben Sie für einen Plan?
Gall: Jetzt ist mir der Durchbruch gelungen, es macht Spaß und ich will es noch jahrelang machen. Da ist schon mehr möglich. Über das, was in zehn Jahren ist, habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Jetzt möchte ich das maximale herausholen. Jetzt wird es – auch finanziell – interessanter.