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Henning Bindzus, Direktor Business Relations & Marke, HSV Fußball AG, Stephan Reiter, CEO, FC Red Bull Salzburg und Wanja Greuel, CEO, BSC Young Boys, besprachen mit Moderator und sportsbusiness.de-Chefredakteur Michael Fiala bei Sport & Marke die Zukunft des Fußballs im Lichte des Corona-Virus.
Deutschland darf bald wieder Fußballspielen und kehrt als erste der drei Ligen im DACH-Raum zurück aus der Corona-Unterbrechung.
Henning Bindzus erklärte dazu: „ Wir sind sehr dankbar, dass wir in besonderer Form wieder Fußball spielen können. Es waren intensive Zeiten mit neuen Situationen.“ Die Regelungen – Stichwort Dresden und Quarantäne – erachtet Bindzus für ausreichend. Hier gebe es ein Konzept von der DFL, man gehe davon aus, dass man die Saison zu Ende spielen könne.
Einen Ausblick, welchen wirtschaftlichen Schaden man nehme, wagte er hingegen nicht: „Wir sind noch im Prozess, wie wir in diesem Geschäftsjahr damit umgehen.“
Unklare Situation in der Schweiz
In der Schweiz ist man sich noch nicht einmal einig, was das Training betrifft. Am 29. Mai will man eine Entscheidung über die Fortsetzung der Saison treffen. „Die Situation ist schwierig“, stellt Wanja Greuel klar, „Wir diskutieren noch mit den Behörden über die Kurzarbeitsentschädigung. Die Medieneinnahmen sind im Gegensatz zu großen Ligen gering, wenn trainiert wird, gibt es die Kurzarbeitsentschädigung nicht.“ Er persönlich möchte die Saison zu Ende spielen und mit den Young Boys auch Meister werden: „Fußball ohne Fans ist besser als gar keiner. Wir hatten viel Erfolg, sind finanziell in einer guten Position. Ich verstehe auch Kollegen, die einen Abbruch wollen.“ Ohne Spielbetrieb wäre es finanziell so, dass man momentan der wohl gesundeste Verein in der Schweiz wäre. Bevor man sich um Bern Sorgen mache, müsste man sich um die Liga Sorgen machen. Das helfe dem Klub aber nicht, schließlich brauche es auch Gegner.
„Geht um großen Wirtschaftszweig“
Österreich liegt zwischen den beiden Ländern, trainiert schon in Kleingruppen, dieser Tage fallen die wichtigen Entscheidungen, ob man die Saison mit Geisterspielen weiter führen kann. Stephan Reiter meinte, man müsse, wenn es vertretbar wäre, Fußball zu spielen, das auch tun. Das sehe er wie jeder Unternehmer auch und bringt noch die zeitliche Perspektive ins Spiel: „ Unser Unternehmenszweck ist es, Fußball zu spielen. Es geht ja auch nicht nur um die Fußballer, es geht um einen großen Wirtschaftszweig. Das sind hunderte Arbeitsplätze. Wir sehen da keinen Unterschied zwischen dem Jetzt und August, September, Oktober. Die Frage ist, ob die Voraussetzungen besser werden. Wenn man jetzt nicht spielt, dann auch nicht im August. “ Man müsse so schnell wie möglich in einen geregelten Spielbetrieb kommen. Allein ein Geisterspiel hätte eine große Bedeutung, dann könne man auch besser mit Sponsoren und Partnern sprechen.
Geisterspiele ein mittelfristiges Konzept?
Die Frage ist, ob man mit Geisterspielen eine schwarze Null schaffen würde, es sich hierbei um ein mittelfristiges Konzept handeln kann, wenn Zuschauer auf längere Sicht nicht möglich wären. Henning Bindzus meinte, dass es wichtig ist, alle Facetten zu sehen, abschätzen könne man jedoch nicht, ob man nur mit Geisterspielen mittelfristig überleben kann.
Wanja Greuel stimmte zu, er könne sich nicht das bei einer kleineren Liganicht vorstellen. „Wir als Führungspersonen müssen Entscheidungen treffen, deren Auswirkungen nicht kennen“, beschrieb er die große gegenwärtige Herausforderung, „Es ist sehr schwierig, aber bei der Frage nach Abbrüchen oder Geisterspielen muss man langfristige Auswirkungen im Blick haben, wenn sie lange nicht trainieren können. Für Legionäre ist der Verein auch die Familie.“ Für Greuel wäre aber auch ganz klar, dass es irgendwann wieder Spiele mit Zuschauern geben werde: „Wann das möglich ist, wird der Corona-Virus vorschreiben. Und es ist eine Grundsatzdiskussion, der eine oder andere Politiker hat vielleicht auch die wirtschaftlichen Konsequenzen unterschätzt. Klar ist aber: Wenn wir erst wieder in einem Jahr mit Zuschauern spielen können, wird es viele Klubs nicht mehr geben.“
Das betrifft nicht nur den Fußball, sondern die gesamte Veranstaltungsbranche. Stephan Reiter sieht den Fußball hierbei auch als Vorbild: „Ich bin kein Virologe und ich glaube, dass der nächste Schritt ein Leben mit dem Virus ist, dass man die Nachverfolgung macht, Cluster bildet und das Ganze regionaler macht. Es wird immer schwieriger, einem Kind aus dem Lungau zu erklären, dass es nicht Sport machen darf, wenn es dort seit zwei Wochen keinen Infektions-Fall mehr gab.“ Reiter meint, man müsse Konzepte entwickeln, wie Zuschauer zugelassen werden können. Salzburg habe ein 30.000er-Stadion und hat einen Schnitt von 10.000: „Und wenn man auf der Liegewiese mit einem Meter Abstand liegen kann, muss man sich das auch für den Fußball überlegen.“ Es wäre Aufgabe des Fußballs, entsprechende Konzepte zu erarbeiten, die den allgemeinen Vorgaben der Politik gerecht würden.
Zugang vie Free-TV?
Eine heiß diskutierte Frage ist auch, wie es mit der freien Zugänglichkeit der Geisterspiele aussieht, also inwieweit die Pay-TV-Partner der Ligen bereit sind, ohne Abo und Gegenleistung Öffentlichkeit herzustellen. Stephan Reiters Gedanken dazu: „Es gibt ein großes Bedürfnis um Sport. Wir haben viel Kapital, ob berechtigt oder nicht. Wir können aber Dinge anstoßen, wollen den Restart wissenschaftlich begleiten. Dabei ist die TV-Reichweite gut, weil alle Firmen am Limit agieren. Die Gewinner der Krise sind meistens nicht unsere Sponsoren.“ Die koreanische Baseballliga habe unglaubliche Reichweiten gehabt, diese startete vergangene Woche. Die Menschen würden eben nach Sport lechzen, auch wenn es noch im Pay-TV ist: „Sky hat angefangen, die Gespräche zu führen. Sie sind die einzigen, die entscheiden können, ob sie Spiele sublizensieren. Wenn es passieren sollte, sehen wir das auch mit einem lachenden Auge.“
In Deutschland gibt es schon eine Entscheidung, die ersten beiden Konferenzen werden frei empfangbar sein. Henning Bindzus meint, dass es klare Regelungen gibt, er begrüße diesen Impuls zum Wiederstart. Aus Sicht des HSV meint er aber, dass es für die Partner der Hamburger keinen Ausschlag gebe, wie die Spiele gezeigt würden. In der Schweiz wiederum gebe es ebenfalls exklusive Verträge, aber ein Livespiel im Free-TV pro Woche. Laut Greuel gebe es Gespräche, mehr zu ermöglichen und er stimmte den anderen zu zu, dass man die Spiele einem möglichst breiten Publikum anbieten möchte.
Die Fanfrage
Eine weitere Frage ist, wie man in Zeiten von Geisterspielen Fragen rund um Dauerkarten, ob für Fans oder im Hospitality-Bereich, löst. „Man muss mit den Fans sehr sensibel umgehen“, so der HSV-Vertreter, „die Fans dürfen niemals das Gefühl haben, dass sie im Stadion ersetzbar sind. Ein Spiel ohne Fans ist nie das Gleiche.“ Einzelkarten wurden kompensiert, mit allen anderen sei man im Austausch mit verschiedenen Lösungen und Varianten, es würde jedenfalls eine Gegenleistung geben. In Bern habe man in den letzten Jahren schon viel in der Kommunikation gemacht, wie beim HSV spüre auch Greuel beim Anhang der Young Boys große Solidarität. Es gebe zwar aufgrund höherer Gewalt keinen Rückerstattungsanspruch, es würden aber Möglichkeiten gesucht werden, „auch in schweren Zeiten ein Partner zu sein und offen und ehrlich zu arbeiten.“ Eine Idee ist, das Abo für die neue Saison mit Rabatten auszustatten, sowohl bei Fans als auch bei Businesspartnern. Letztlich müsse man bei allem im Blick behalten, wie und ob es weitergeht.
Stephan Reiter erzählte, dass die Zahlung von Dauerkarten für die kommende Siason erst im Jänner 2021 erfolgen werden würde. Es gebe kein Risiko für die rund 9.000 Dauerkartenbesitzer. Diese wären auch jene, die als erstes wieder in die Stadien dürften. Es gebe schon viele positive Signale, auch wenn noch unklar wäre, wann Zuschauer überhaupt ins Stadion können. Auch Salzburg müsse nicht rückzahlen, man will aber solidarisch sein, weil die Menschen unter Umständen das Geld jetzt brauchen würden: „Wir haben aber bei Fans und Hospitality Neuabschlüsse. Wer in den letzten Jahren fair mit den Fans umgegangen ist, wird das jetzt zurück bekommen.“