Fußball ist weitaus mehr als die große Glitzerwelt voller Stadien und Millionen-Gagen. Fußball ist zuallererst ein schönes Spiel, das Körper und Geist anregt. Die Global Youth Conference (GYCO) betreibt in Norduganda ein Projekt, das speziell Mädchen unterstützt.
++ sportsbusiness.de exklusiv von Georg Sander ++
Uganda wird seit 1986 nach blutigen, bürgerkriegsähnlichen Zuständen und Massakern an Oppositionellen unter Diktator Idi Amin in den 70er-Jahren von Yoweri Kaguta Museveni regiert, damit hörte die Unruhe aber nicht auf. Gerade der Norden Ugandas wurde bis vor einigen Jahren von Joseph Kony und seiner „Lords Resistance Army“ heimgesucht. In den letzten zehn Jahren hat sich die Situation im Norden des Landes beruhigt. Die Menschenrechtslage ist aber nach wie vor trist. Homosexuelle Menschen werden politisch und gesetzlich verfolgt, die Gleichstellung von Frauen ist zudem fast nur auf dem Papier gegeben.
Für viele Menschen in Österreich bzw. Europa ist Uganda wohl bloß ein weiteres Land im subsaharischen Afrika. Dabei würde man hierzulande einen der besten Kicker des Landes sogar kennen. Ibrahim Sekagya spielte von 2007 bis 2013 bei Red Bull Salzburg, gewann drei Meistertitel und einmal sogar das Double. Bis 2012 war er Kapitän der ugandischen Nationalmannschaft. Fußball ist auch der Sport, den die Global Youth Conference als Türöffner für ein besseres Leben auserkoren hat.
Darum Fußball
Initiatorin und Gründerin von GYCO ist die Konzeptkünstlerin Louise Deininger, die in Wien lebt. Die Idee für eine Akademie für Jugendliche, in der sie sich persönlich weiterentwickeln und lernen können, kam ihr bei den Dreharbeiten zu ihrem Film „The DNA of War“, der sich mit der erwähnten dunklen Geschichte der Lord’s Resistance Army auseinandersetzt. Gemeinsam mit lokalen Entwicklungsexperten:innen und betroffenen Jugendlichen in Gulu, Norduganda, und einem engagierten Team von Fachleuten in Wien, – arbeitet man an der Verwirklichung ihrer Vision: die Einstellung junger Menschen zu verändern und den Teufelskreis von wirtschaftlicher Abhängigkeit und kulturellem Niedergang durch Selbstentwicklung zu durchbrechen; eine gestärkte Jugend für eine nachhaltigere, positivere und friedlichere Gesellschaft aufzubauen. Doch was heißt das konkret? sportsbusiness.de hatte die Möglichkeit, mit Edward Otika aus Gulu, Geschäftsführer des GYCO Girls‘ Soccer Club zu sprechen.
Im Jänner 2018 wurde GYCO vor Ort als Community Based Organization (CBO) mit einem Team von neun Freiwilligen unter der Leitung von Edward Otika als Direktor gegründet. „Die Vision der Organisation war es, das volle Potenzial von Jugendlichen in dem vom Bürgerkrieg gebeutelten Norduganda auszuschöpfen, indem wir einen Bewusstseinswandel herbeiführen, der Selbstvertrauen und wirtschaftliche Unabhängigkeit ermöglicht“, erklärt Otika im Interview.
„Ein Jahr nach der Gründung stellten wir fest, dass die Zahl der Schulabbrecher, vor allem bei Mädchen, aufgrund von Schulgeldproblemen und Teenager-Schwangerschaften sehr hoch war“, führt er die Hintergründe aus, warum Fußball ausgewählt wurde. Mit dem Frauenfußballprogramm können die Talente der jungen Mädchen zum Vorschein kommen und Erfahrungen gesammelt werden, während gleichzeitig Kontakte zu Gleichaltrigen mit einem ähnlichen Ziel geknüpft werden: „Wir stellten uns auch vor, dass einige Mädchen, die zur Schule gehen wollen, durch den Fußball ein Stipendium für die Schule erhalten, was ihren Eltern den Stress ersparen würde, sich um die Schulgebühren zu kümmern.“ Damit der Club reibungslos funktionieren und die Besonderheiten in Gulu mitbedacht werden können, musste eine Führungsstruktur geschaffen werden. „So wurde ich vom Team zum Geschäftsführer ernannt, da ich die Vision des Clubs besser verstanden hatte“, sagt er und gibt zu: „Zu diesem Zeitpunkt war ich gleichzeitig Landesdirektor von GYCO (der CBO) und Geschäftsführer des Fußball-Clubs, was zugegebenermaßen nicht einfach zu handhaben war.“
Von der Verteidigung zur Selbstbestimmung
Fußball als Empowerment über den Sport hinaus, das war also der Hintergedanke. Bei den Teilnehmerinnen handelt es sich um Schülerinnen, Teenager und Mütter. In der Begegnung können die Jungen von den Älteren lernen, das bietet eine breite Wissensbasis. „Durch das Knüpfen von Kontakten und die Weitergabe von Wissen gewinnen die Mädchen an Selbstbewusstsein und -vertrauen, sie trauen sich vor anderen zu sprechen“, stellt er klar. Das führe zu einem Bewusstseinswandel, zu einem positiven Denken und ermögliche ein zielorientierteres Leben. Diese Vision soll verbreitet werden: „Die Organisation bietet Selbstentwicklungsprogramme und Zielsetzungssitzungen an, die eine Voraussetzung für alle Mädchen sind, die dem Fußballclub beitreten.“ Der Sport fungiere als Türöffner, nicht nur für das Selbstverständnis der Frauen in Gulu, sondern auch für ihre Bildung: „Die meisten Schulen sind sehr daran interessiert, Mädchen, die in diesem Bereich herausragende Leistungen erbringen, ein Sportstipendium zu gewähren.“ Deshalb arbeitete der Verein mit der Restore Leadership High School zusammen, um den Mädchen, die im Fussballclub sind, eine kostenlose Schulausbildung zu ermöglichen.
Ein Beispiel ist Prossy, eine Verteidigerin. Sie ist eine alleinerziehende Mutter von Zwillingen, sie nahm an Schulungen zur Selbstentwicklung teil und wurde dadurch selbstbewusster, erzählt Otika.
Als zweifache Mutter mit voller Verantwortung und ohne Unterstützung des Vaters war Prossy untröstlich und verbittert, weil sie keine richtige Arbeit hatte, um ihre Zwillingstöchter zu erhalten. Aber alles änderte sich, nachdem sie das Selbstentwicklungstraining absolviert hatte. „Ich begann, das Leben aus einer anderen Perspektive zu betrachten, konzentrierte mich mehr auf das Positive und dachte nicht mehr an das Negative, das ich in den letzten drei Jahren erlebt hatte“, lässt sie sportsbusiness.de auf Anfrage wissen. Über das Kicken hinaus nahm sie an verschiedenen Schulungen zu unternehmerischen Fähigkeiten teil, aber auch handwerklichen Schulungen, wie z. B. dem Backen von Süßigkeiten, der Herstellung von Schwämmen, der Herstellung von Büchern und der Herstellung von Türmatten. Mit diesem Wissen haben sie und ihre Schwester begonnen, Süßigkeiten zu backen, die sie erfolgreich verkaufen. Außerdem arbeitet Prossy bei GYCO als Büroassistentin– mit dem Einkommen bezahlt sie das Schulgeld für ihr Töchter.
Empowerment
Prossy ist nur ein Beispiel von vielen, wie GYCO direkt vor Ort zu einem besseren Leben für die Mädchen beiträgt. Durch die Teilnahme an einer nationalen Liga konnten viele Mädchen durch Reisen in verschiedene Bezirke des Landes Erfahrungen sammeln. Dies habe ihre Sichtweise auf die Dinge verändert und sie sind entscheidungsfreudiger geworden, meint der Direktor: „Viele der Fußballspielerinnen konnten von dem kleinen Spielgeld, das wir ihnen bieten, etwas sparen, um kleine einkommensschaffende Aktivitäten zu starten, die ihnen helfen, etwas Geld für den Unterhalt ihrer Eltern und Familien zu verdienen.“ Die Mädchen können über ihr direktes Umfeld hinaus mit anderen Mädchen und Frauen in Kontakt treten und sich mit Gleichaltrigen über ihre Themen austauschen, bekommen emotionale Unterstützung und Beratung: „Das hilft ihnen zu lernen, wie sie beispielsweise mit häuslicher Gewalt umgehen.“ Das betrifft übrigens nicht nur den Sport: Im Bereich Kunst konnte GYCO auch bereits Talente fördern – der erfolgreichste Teilnehmer der GYCO Academy ist Thomas Vava, der die Aufnahme an der Akademie der bildenden Künste in Wien geschafft hat und nun seit 1,5 Jahren hier studiert. Als finanzielle Unterstützung hat er ein Stipendium vom Rotary Club Wien-Albertina erhalten.
Unterstützen
Damit sind wir zurück in Wien, wo Gründerin Deininger natürlich auch tatkräftige Unterstützung hat. Eine davon ist Carmel Lee Paul, die in Wien lebt und international als Coach/Trainerin und Assessmentberaterin arbeitet und stellvertretende. Kassiererin im österreichischen Verein ist. „Ich wurde von GYCO 2018 gefragt, ob ich als englischsprachiger Coach und Persönlichkeitsentwicklerin mit den Mitarbeiter:innen von GYCO in Gulu eine Coaching-Ausbildung durchführen könnte“, erzählt sie im Gespräch. Mit ihrem Mann Dieter Volc, der Rotarier im Club Albertina ist und als Schriftführer des Vereins fungiert, flog sie nach Uganda, fuhr nach Gulu im Norden des Landes und erkannte, „dass ich diesen wunderbaren jungen Menschen bei deren Vision, die Nachkriegsjugend des Landes zu stärken und zu entwickeln, unbedingt helfen wollte.“ Seitdem arbeitet das Ehepaar vor Ort und im Verein in Österreich sehr aktiv daran mit, die Vision zu erfüllen: „Vor allem die Vision, jungen Frauen und jungen Menschen in Norduganda zu helfen, dass sie mehr Selbstvertrauen und Unabhängigkeit entwickeln, hat es mir angetan. Es ist mir wichtig, etwas von dem, was ich in meinem Leben gelernt und erhalten habe, weiterzugeben.“
Ein weiterer Mitstreiter ist Walter Abel, der als Management Consultant von Retz aus international und als Kassier des österreichischen Vereins arbeitet. „Ich lernte Louise Deininger im Juni 2018 kennen. Sie stellte mir die Idee vor, und ich war vom ersten Moment an begeistert. Nicht nur, dass ich mich schon längere Zeit mit dem Gedanken trug, dem Universum für viele Erfolge in meinem Leben dankbar etwas zurückzugeben, es passte auch perfekt zu dem, was ich gerne tun wollte – nämlich Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, und dabei auch meine Kernkompetenzen als Managementberater einzubringen.“ Bereits im April des folgenden Jahres reiste er erstmalig nach Uganda und lernte dort eine Gruppe von „höchst engagierten, wunderbaren Menschen kennen.“ Nach einer intensiven Woche, gefüllt mit Trainings zu den Themen Strategie, Projektmanagement und Persönlichkeitsentwicklung, schloss das GYCO-Team „mich in’s Herz – diese Woche hat mir deutlich gezeigt, dass das Engagement jeden Einsatz wert ist.“
Hilfe zur Selbsthilfe
All das, so ehrlich darf man sein, kostet natürlich auch Geld. „Da unser österreichischer Verein eine kleine Institution ist, deren Mitglieder ausschließlich ehrenamtlich arbeiten und keine öffentlichen Gelder erhalten, sind wir auf Spenden angewiesen, die zu Gänze für Aufwendungen in Uganda eingesetzt werden“, erzählt Carmel Lee Paul. Walter Abel ergänzt: „Das größte Ziel ist nun, die wirtschaftliche Nachhaltigkeit des Vereins und der NGO in Uganda zu erreichen- damit wir unsere Projekte umsetzen können: den Aufbau der GYCO Academy sowie der Weiterentwicklung des GYCO Girls Soccer Club – diese jungen Frauen sind im Moment unser Leuchtturmprojekt, denn sie sind unsere Botschafter in der Region neben der Tatsache, dass sie erfolgreich Fußball spielen.“
Wenn Sie GYCO unterstützen wollen:
Jede Spende ab 20 Euro ist sehr willkommen und ist steuerlich absetzbar
GYCO, Verein zur Förderung der Ugandischen Jugend
AT70 1400 0014 1084 7899