ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick hat vor dem Schweden-Länderspiel ein weiteres Mal Werbung für ein eigenes Nationalstadion gemacht. Sportarchitekt Harald Fux begrüßt die Initiative und lässt mit einer Aussage zum Thema Denkmalschutz aufhorchen.
++ sportsbusiness.de exklusiv von Michael Fiala ++
In einem Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“ machte der aktuelle ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick zum wiederholten Male kein Geheimnis daraus, wie er über ein neues Stadion denkt. „Ich wünsche mir eine moderne Event-Arena an der Stelle des Ernst-Happel-Stadions, weil ich den Standort für den mit Abstand besten in ganz Österreich halte. Die geografische Lage, die Verkehrsanbindung, der Prater, das Ganze zehn Minuten von der Innenstadt entfernt: Das Stadion liegt wie gemalt. Noch dazu hast du rundherum elf Rasenplätze.“
Rangnicks Heimspiel-Premiere ging ja bekanntlich im Juni 2022 über die Bühne, als der Strom ausfiel und nach dem Spiel ein Loch im Rasen entdeckt wurde. „Wenn das beim Fußball passiert, dann ist es ja nur eine Frage der Zeit, bis Vergleichbares bei einem Konzert passiert. Dass vielleicht mal eine Tribüne nicht mehr standhält, dass der Strom wieder ausfällt. Für mich ist völlig unstrittig, dass in den nächsten zehn, 15, 20 Jahren irgendetwas mit diesem Stadion passieren muss.“
„Vollkommen aus der Zeit gefallen“
Ähnlich sieht dies Sportarchitekt Harald Fux (Raumkunst ZT GmbH), der unter anderem für das neue LASK-Stadion verantwortlich zeichnet. Im Gespräch mit sportsbusiness.de meint Fux zu den Aussagen von Rangnick: „Das Ernst Happel Stadion ist sicherlich symptomatisch für so manche Infrastrukturdiskussion in Österreich und leider auch eine wirklich verzwickte Situation. Dieses Stadion hat sicher Charme von oben gesehen, ist aber was seine Zuschauertribüne – das Herz jedes Stadions – betrifft, vollkommen aus der Zeit gefallen und wird den Ansprüchen des heutigen Sports und der Fans nicht gerecht, weil es weder für Zuschauer noch Akteure im Sport wie im Entertainmentbusiness nicht mehr attraktiv ist.“ Fux werde daher nicht müde zu betonen, „dass man in dieses Stadion keine größeren Investitionen mehr tätigen sollte. Es ist im Endeffekt verlorenes Geld und steht der wichtigen Diskussion zur Zukunft im Wege.“
Für die Stadt Wien ist ein Neubau derzeit jedoch kein Thema. Rangnick meint dazu: „Selbst wenn man es jetzt gerade nicht als dringend notwendig erachtet, weil man mit jedem ausverkauften Coldplay-Konzert noch immer viel mehr Geld als mit jedem Länderspiel verdient: Irgendwann muss irgendwas mit diesem Standort passieren. Die Frage ist bloß, wann.“
Und Rangnick wird konkret: „Mir schwebt ein österreichisches Wembley-Stadion vor. Wien braucht eine moderne Event-Arena mit einem Fassungsvermögen von 50.000, 60.000 oder 70.000 Menschen. Und wenn einmal nur 40.000 kommen, dann macht man eben den Oberrang zu.“
Einen Ball, den Fux auch gerne aufnimmt und meint: „Ralf Rangnick ist ein echter Fußball-Visionär und nicht nur einfach ein Teamchef, der zur Euro will. Wien ist noch eine der letzten europäischen Metropolen, die kein eigenes „Wembleystadion“ hat. Die Stakeholder rund um den österreichischen Fußball sollten diesen Rückenwind unbedingt nützen, und versuchen, die österreichische Wembley-Version zu ermöglichen. Man sollte vorangehen und einen Wettbewerb der besten Ideen ermöglichen. An Kreativität fehlt es bekanntlich nicht, wie man an einigen Infrastrukturprojekten in der Vergangenheit gesehen hat.“
Streitpunkt Denkmalschutz?
Angesprochen auf den Denkmalschutz, der einen Abriss des Ernst Happel Stadions verhindert, meint Rangnick: „Dann muss man diese denkmalgeschützten Bereiche in die Planung miteinbeziehen. Das ist anderswo doch auch möglich. Ein neues Stadion hätte einen enormen Mehrwert. Wien könnte wieder über die Austragung von Europacup-Finalspielen nachdenken, über gemeinsame Bewerbungen für Europa- oder Weltmeisterschaften.“
Doch möglicherweise ist der Denkmalschutz doch kein schlagendes Argument? „Fakt ist, dass es keinen Bescheid zum Ernst-Happel-Stadion gibt, der es unter Schutz stellt, sondern per Verordnung nur eine generelle Unterschutzstellung“, so Fux, der dadurch eine Chance sieht: „Den Denkmalschutz sollte man proaktiv angehen und bei der Beurteilung nach einer Analyse der historischen, künstlerischen und kulturellen Bedeutung des Stadions vorgehen. Ich persönlich glaube nicht, dass man der historischen Bedeutung eines Gebäudes ausschließlich durch das Beharren auf sein Bestehen gerecht werden kann.“