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Konsistenz vs. Agilität – Wie Fußball Aufschlüsse über einen alltäglichen Zielkonflikt geben kann [Partner-News]

(c) Pixabay by Phillipp Kofler

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In vielen wirtschaftlichen oder sozialen Situationen stehen Konsistenz, Effizienz und Routinen im Zielkonflikt mit Agilität, experimentellem Lernen und Innovationskraft. Im Privatleben suchen wir Alltagsroutinen, um den Alltag zu meistern, brauchen aber Initiative und Zielstrebigkeit, um Stillstand zu vermeiden. In Unternehmen stehen Manager vor der Herausforderung, effizienzsteigernde Routinen und Qualitätsstandards zu etablieren, gleichzeitig aber die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens durch Innovation und Erneuerung zu fördern.

Von Jakob Müllner & Jonas Puck (Research Initiative Sports & Management an der Wirtschaftsuniversität Wien) und Hannes Mayrhofer (Studiengang Data Science an der Technischen Universität Wien)

Während die Prozesse des Alltags und der unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit zu komplex, einzigartig und uneinsichtig für eine empirische Untersuchung dieses Zielkonfliktes sind, bietet der professionelle Fußball ein allwöchentliches Parkett mit standardisierten Regeln und unerreichter Datenverfügbarkeit, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Ein interdisziplinäres Projekt zwischen dem TU- Masterstudiengang Data Science und der Forschungsinitiative Sport & Management der WU hatte das Ziel, einen ersten Schritt in diese Richtung zu machen.

Ziel war es, anhand von Eventmikrodaten einen Algorithmus zu entwickeln, der imstande ist, taktische Konsistenz bzw. Agilität eines Vereines von einem Spiel zum anderen zu messen. Der Algorithmus setzt an Passmustern während des Spiels an, da die Pässe einen sehr hohen Informationsgehalt haben und auch charakteristisch für Spielstile sind. Zu Trainingszwecken des Algorithmus wurden Daten des Sportdatenanbieters StatsBomb verwendet.

Aber wie kann das Passspiel messbar gemacht werden? Jedem Pass werden Eigenschaften aus den Spieldaten zugewiesen. Das sind beispielsweise die Länge, der Winkel zum Tor, die Geschwindigkeit und die Höhe eines Passes. Das können aber auch Eigenschaften des Passgebers und des Passnehmers sein. In den beiden nachfolgenden Grafiken werden drei dieser Eigenschaften illustriert: Winkel zum Tor, Winkel zum Ball und die Raumkontrolle eines Spielers (modelliert durch ein Voronoi-Diagramm).

Eine Abfolge von Pässen wird zusammengefasst und damit die Struktur und Muster von „Ballstafetten“ eingefangen. Statistische Methoden ermöglichen es, die Passdaten so zu verarbeiten, dass Abweichung vom gewöhnlichen Spielstil identifiziert werden können.

In dieser Abbildung sieht man eine Möglichkeit, wie man Passmuster messen kann: Bei drei aufeinanderfolgenden Pässen (illustriert durch die nummerierten Pfeile) sind bis zu vier verschiedene Spieler (A, B, C, D) involviert und es können fünf verschiedene Muster auftreten. Diese fünf Muster ABCD, ABAB usw. sind in der Abbildung zu sehen. Der Algorithmus berücksichtigt, wie oft jedes dieser Muster in einem Spiel auftritt.

Ob diese Abweichungen durch die Intervention des Trainers intendiert sind oder aufgrund von anderen Faktoren entstehen (z.B. Ermüdung oder taktische Disziplinlosigkeit), wird nicht berücksichtigt. Am Ende erlaubt der Algorithmus eine evidenzbasierte Messung, wie stark sich die Spielmuster von einem Spiel zum anderen (aber auch innerhalb eines Spiels) ändern und welchen Einfluss diese Konsistenz/Agilität auf den sportlichen Erfolg hat.

In unserer Analyse nehmen wir an, dass ein Großteil dieser Schwankungen durch das gegnerische Team verursacht werden. Einerseits passt der Trainer die Spielweise an den Gegner an. Andererseits kann das gegnerische Team auch eine veränderte Spielweise aufzwingen und gewisse Passmuster besser unterbinden als andere Gegner. Im Projekt wurde ein Filter definiert, um diese (ungewollten) Schwankungen herauszufiltern. Die Ergebnisse zeigen, dass der Spielstil von Teams besser charakterisiert werden kann, wenn wir den Filter auf unsere Daten anwenden.

Schlussendlich wird eine Ähnlichkeit zwischen zwei Spielen berechnet. Der resultierende Wert gibt uns einen Indikator dafür, wie stark sich der Spielstil eines Teams von einem Spiel zum nächsten verändert hat. Dieser Indikator ist eine Zahl zwischen -1 und 1, wobei ein niedriger Wert starke Abweichungen bedeutet und ein hoher Wert mit ähnlichen Passmustern assoziiert werden kann.

Diese Kennzahl erlaubt es Forschern die Frage zu beantworten, ob Vereine mit hoher Konsistenz besser performen als Vereine, die ihre Spielweise variabel an Gegner und Situation anpassen können. In weiterer Folge können in Folgeprojekten eine Reihe spannender Fragen analysiert werden: Wann und über welchen Zeitraum manifestiert sich eine Veränderung des Spielstils nach einem Trainerwechsel? Gehen Änderungen des Spielstils mehrheitlich von intendierten taktischen Eingriffen wie Spielerwechsel aus oder werden sie von anderen Faktoren verursacht (z.B. Gegner, Fitness oder Disziplinlosigkeit)? Welche Faktoren begünstigen negative Ausprägungsformen von Konsistenz („taktische Blindheit“) oder Agilität („fehlende Taktik“)?

Der Indikator kann bei bestimmten Fragestellungen bezüglich Spielstil und taktischer Ausrichtung hilfreich sein. Ein Fallbeispiel zum „Trainereffekt“ bezieht sich auf den FC Toulouse in der Saison 2015/16: Zehn Runden vor Saisonende war man in der französischen Ligue 1 weit abgeschlagen auf einem Abstiegsplatz und nahm einen Trainerwechsel vor. Unser Tool identifiziert eine starke Abweichung des Spielstils vom neuen Trainer zu seinem Vorgänger, aber auch einen sehr konstanten Spielstil unter dem neuen Trainer. Je dunkler die Farben der Zellen sind, desto ähnlicher sind die Spiele bezüglich der Pässe. In der Grafik ist rechts unten ein spielerisch homogener Cluster über die letzten Spiele der Saison zu erkennen. Der FC Toulouse holte aus den letzten zehn Spielen 18 Punkte und konnte so dem Abstieg noch entkommen.

Aufbauend auf den Ergebnissen der Studie arbeitet die Forschungsinitiative zu Sport und Management (RISM) an der Wirtschaftsuniversität Wien mit dem Studiengang Data Science an der Technischen Universität Wien an ähnlichen interdisziplinären Fragestellungen. Ziel der RISM Initiative ist eine akademische Verbindung von Sport und Management in Lehre, Forschung und Praxis. Als Teil der Partnerschaft mit Sportsbusiness.at informiert RISM zukünftig einmal monatlich über interessante, praxisrelevante Forschungsergebnisse aus der Welt des Sportmanagements. Haben auch Sie Interesse sich in Universitärer Forschung, Lehre zu engagieren? Kontaktieren Sie uns gerne persönlich (rism@wu.ac.at).

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