Alle paar Jahre ist eine neue App jene der Stunde. Gegenwärtig ist das TikTok. Die Kurzvideoapp muss man sich als Verband trauen, sonst erreicht man die Community irgendwann nicht mehr, erklärt Christian Wiesmayr, Head of Digital Content & External Platforms, exklusiv gegenüber sportsbusiness.de.
Von Georg Sander
„Wenn die Welt untergeht, dann gehe ich nach Wien. Dort passiert alles zehn Jahre später“, heißt es, wahlweise von Karl Kraus oder Gustav Mahler. Vermutlich ist es ein abschätziger Berliner Witz aus dem 19. Jahrhundert, der aber im Kern nicht so falsch ist. Österreich gilt nicht als das progressivste Land, insofern verwundert es etwas, dass der ÖFB in Sachen TikTok vorne mit dabei ist und ein gutes Beispiel abliefert, wie mit der Kurzvideoapp verschiedenste Zielgruppen erreicht werden können. Denn: Rund 20 Millionen Abrufe muss ein TikTok erst einmal schaffen. Christian Wiesmayr, Head of Digital Content & External Platforms, hat sportsbusiness.de erklärt, wie es dazu kam.
Vertrauen und Trauen
Wie TikTok-Expertin Lisa-Sophie Thoma schon erklärte, müssen sich Vereine und Verbände bei der App etwas trauen. Zum Trauen kommt das Vertrauen dazu, dass die Entscheider wissen, dass die umsetzende Person das gut macht. „Ich kann mich in meinem Aufgabenbereich, in meiner Verantwortung relativ frei bewegen und bin grundsätzlich angehalten, neue Entwicklungen zu sichten, neuen Möglichkeiten in der Kommunikation und Community-Bindung auf den Grund zu gehen, um dann wiederum zu entscheiden, ob das auch zum ÖFB passt“, erklärt Wiesmayr gegenüber sportsbusiness.de.
Dass man sich nun auch TikTok zuwendet, passt ins Bild, das der aufgrund seiner föderalen Struktur oftmals als behäbig bezeichnete Verband zuletzt abgab. Grundsätzlich hat sich der ÖFB im digitalen Bereich in den letzten Jahr sehr weiterentwickelt, geht mit der Zeit und nutzt Trends. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: die neue Website, ÖFB TV, die künftige App, NFT und Co. Wie kam es also dazu, dass da auch die neue Videoapp dabei ist? „Während dem Beginn der Corona Pandemie 2020 habe ich mich intensiv mit TikTok beschäftigt und einen privaten Account erstellt, um dem Rising Star am Social Media Markt auf den Grund zu gehen. Anschließend habe ich die Gunst der Stunde genutzt und bin im Mai auf TikTok mit @oefb1904 live gegangen.“
@oefb1904 Wenn du dich freust bei der @UEFA Women’s EURO dabei zu sein! 😁🤘🏻 #fussball #weuro2022 #team #austria #nationalteam #rockon ♬ Originalton – FC Bayern
Schritt für Schritt
Die ersten Schritte erfolgten mit vorhandenem Material, das an die Besonderheit des 9:16-Formats angepasst wurde. „Natürlich war auch viel „try and error“ dabei. Aber zu dieser Zeit hatte TikTok in Europa seinen Startschuss. Viele neue User in der Pandemie und Videos mit tollen Zugriffszahlen, ohne überhaupt Follower zu haben“, sagt er. Der ÖFB war also zur richtigen Zeit am richtigen Ort, wie es so schön heißt. Zwei Videos müsse man hier hervorheben: Der Marko-Wuzzel-Prank, der mit knapp 20 Millionen Aufrufen das bislang erfolgreichste Video war. Und dann wäre da noch der Slide von Christoph Baumgartner beim Wolkenbruch in Budapest mit über fünf Millionen Aufrufen: „Viral zu gehen auf TikTok ist nicht von der vorhandenen Followerzahl abhängig.“
Mit dem Erfolg im Rücken kann natürlich noch viel besser gearbeitet werden. Der Fokus liegt auf den Nationalteams, angefangen von den A-Teams bei Herren und Frauen über die Nachwuchsauswahlen bis hin zu Futsal. Die Inhalte sind Highlights, Tore und die so wichtigen behind-the-scenes-Videos, die die großen Stars viel menschlicher zeigen und somit dafür sorgen, dass noch mehr Nähe zu den Fans entsteht. Eine Sache hat man noch ausgelassen: „Künftig wollen wir noch mehr auf Trends eingehen. Auch wenn wir nicht im selben, täglichen Ausmaß Zugriff auf unsere Spieler:innen haben wie ein Verein, so wollen wir sie als Markenbotschafter effektiver nutzen und dann kreativ einsetzen.
Die Zielsetzung
Jede Marketing-Maßnahme muss natürlich auch liefern. Einerseits gibt es dazu beim ÖFB das Bewusstsein, dass es heutzutage nicht mehr ausreicht, ein, zwei oder drei Kanäle zu bespielen, sondern möglichst viele. „Die digitale Welt ist schnelllebig, eröffnet aber gleichzeitig eine Vielzahl an guten Möglichkeiten“, so Wiesmayr, „Für uns ist es wichtig, mit unserer Community, unseren Fans, unseren Sympathisanten auf unseren Kanälen in Kontakt zu bleiben, sie upzudaten und vor allem ein gewisses Naheverhältnis, wie beispielsweise zwischen Teamspieler:innen und Fans herzustellen.“ Nach der Pandemie sei der Bund noch mehr gefordert, hier klug vorzugehen. Nun will man wieder gemeinsam live feiern, aber „TikTok hat uns gelehrt, dass wir unsere Community und darüber hinaus auch auf eine andere Weise erreichen und binden können.“
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Insgesamt zeigt man sich zufrieden, was die Zielerreichung betrifft. Alleine die Followerzahlen zeigen, dass der TikTok-Kanal der mit Abstand stärkste Channel des ÖFB ist. „Gemessen an den Videoaufrufen, Likes und Zuwachs sind wir auf einem sehr guten Weg, der auch weiterhin gezielt ausgebaut wird“, erklärt Wiesmayr. Apropos: Das Finale der Euro 2024 steigt just in Berlin, vielleicht mit der Herrennationalmannschaft, Ralf Rangnick und einem hochformatigem Video? Zumindest mit seinem Schlusswort schließt sich der Kreis zum eingangs erwähnten ach so altmodischen Österreich: „Wir sind in der österreichischen TikTok-Fußballlandschaft ganz vorne dabei, mussten uns selbst während der EURO2020 nicht vor den großen Nationen verstecken– und wir können mit deutschen Bundesligisten mithalten.“