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Rapid-Pfarrer Pelczar als Stripfing-Obmann: „Kann ein Pfarrer Judas sein? Das ist ja lächerlich“ [Exklusiv]

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Die Meldung führte bei Christoph Pelczar zu tagelangem Geklingel am Smartphone. Der Rapid-Pfarrer wird Obmann von Austria Wien-Kooperationsklub SV Stripfing/Weiden. Eine schiefe Optik? Kann ein Rapid-Pfarrer Obmann von Austria-Kooperationsklub Stripfing sein? Gegenüber sportsbusiness.de erklärt der Geistliche die Hintergründe.

++ sportsbusiness.de exklusiv von Georg Sohler ++

„Das Thema Austria habe ich da gar nicht in Betracht gezogen. Wir sind nicht von der Wiener Austria verschluckt worden. Ich habe das zuerst nicht einmal gecheckt“, stellt Christoph Pelczar im Exklusiv-Interview mit sportsbusiness.de Eingangs sofort klar. Er stellt eine provokante Frage und beantwortet sie gleich: „Kann ein Pfarrer Judas sein? Das ist ja lächerlich.“ Den raschen Aufstieg des Vereins hat der fußballverrückte Pfarrer von Weikendorf im Weinviertel ja auch hautnah miterlebt, seit er vor mehr als 20 Jahren das Amt antrat. Natürlich, er sei Rapid-Pfarrer und Grün-Weißer durch und durch. Oder wie er sagt: „Einmal Rapidler, immer Rapidler.“ Seit acht Jahren betreut er gläubige Rapidfans. Die Seelsorge in Wien-Hütteldorf umfasst Taufen, Trauungen, Beerdigungen; alles, was zum Pfarrerdasein dazu gehört. Das mache er in offizieller Mission, er hält aber fest, dass er keine Funktion in irgendeinem Gremium habe. 

„Es geht nicht um die Vereinsfarben. Die Austria ist kein Teil des SV Stripfing, meine Vorgänger haben eine notwendige Entscheidung getroffen, da geht es um die Weiterentwicklung des Vereins, jeder mit gesundem Menschenverstand versteht so was. Mit geht es in dem Fall nur um meine Gemeinde, nicht um die Spinnereien zwischen zwei anderen Klubs“, sagt er unmissverständlich. In seiner Funktion als Obmann gehe es ihm nur um die Identität des SV Stripfing. Seine Gemeinde liegt ihm sehr am Herzen. Schon vor einem Jahr gab es erste Versuche, ihn in eine offizielle Position zu bekommen, als „Respektperson das Gemeinsame zu finden“. Der verhinderte Fußballtormann beginnt nun die Gründe für sein Engagement darzulegen, das seinen Ausgangspunkt vor vielen Jahren nahm: „Ich werde nie vergessen, was das für eine Gemeinschaft war. Man hat sich am Fußballplatz getroffen, miteinander geredet. Vor 13 Jahren wurde beispielsweise ein karitatives Projekt gemeinsam mit dem Verein aufgestellt, es ging darum, einem Kind zu helfen – da haben alle an einem Strang gezogen.“ Das Verbindende ist dem Klub abhandengekommen.

Schnell gewachsen

Die ersten vielen Jahrzehnte des Klubs, der bereits 1951 gegründet wurde, liefen ohne nennenswerte Erfolge ab. Noch 2008/09 war man in der achthöchsten Liga unterwegs. Hätte es weiter runtergehen können, wäre man abgestiegen. Doch es ging in die andere Richtung, Stück für Stück. 2012 wurde Erich Kirisits, durchaus erfolgreicher Unternehmer und vor vielen Jahren beinahe Rapid-Präsident, Obmann. Seine Familie spielte schon in den 50ern bei der Gründung des Vereins eine Rolle, er selbst stammt aus der Ortschaft. 2015/16 gelang schließlich der Aufstieg in die Landesliga, 2017/18 trat man dank des Sieges im niederösterreichischen Cup erstmals im ÖFB-Cup an. Im Folgejahr gelang der Aufstieg in die Regionalliga. Dem nicht genug, seit vergangenem Sommer ist man einer der Bundesligisten. Doch der Aufstieg war vor allem sportlich erfolgreich, nicht alle im Verein konnten bei dem Tempo mitgenommen werden. Am deutlichsten ersichtlich wird das in Sachen Stadion. Der Verein kickt am über 40 Kilometer entfernten FAC-Platz in Wien. „Die Idee, dass ich Obmann werden könnte, habe ich lange belächelt, aber ich habe dann gesehen, dass die Stimmung in der Gemeinde nicht mehr so gut war. Ich habe mich nicht aufgedrängt, aber als Gemeindepfarrer ist es mir wichtig, dass wir wieder gemeinsam Feste feiern, miteinander reden. Die Menschen, die mich gewählt haben, wollen, dass wir wieder eine Stripfinger Familie sind.“

Wir sind nicht von der Wiener Austria verschluckt worden. Ich habe das zuerst nicht einmal gecheckt.

Christoph Pelczar, Rapid-Pfarrer und Stripfing-Obmann

Oftmals belächelt Fußballösterreich den SV Stripfing. Bisweilen wähnten sich die großen Vereine bzw. deren Anhang ja auch auf Bundesligaebene von Dorfvereinen wie Grödig oder Mattersburg geplagt. Aber Fußball spielt sich nicht nur in den großen Städten ab. In den 50 Jahren Bundesliga hat es beispielsweise kein einziger Klub aus dem Weinviertel nach ganz oben geschafft, Untersiebenbrunn war 2005 der letzte Verein, der in der 2. Liga kickte. Der politische Bezirk Gänserndorf hat über 100.000 Einwohner:innen, die sich vielleicht auch einen Fußballklub verdienen. Es sind übrigens auch mehr Einwohner:innen als im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld. 

Gehört ein Klub wie Stripfing so weit rauf? Seine Antwort: „Eine interessante Frage. Subjektiv sage ich: Wenn es gelingt, etwas zu kreiieren, kann man stolz darauf sein.“ Und anders gefragt, vor allem hinsichtlich der Infrakstruktur: Kann man im übertragenen Sinn einen Stephansdom ins ostösterreichische Flachland stellen? „Meistens entstehen Kathedralen an Orten, die eine Bedeutung haben, meistens aus den Steinen, die man jemand in den Weg legt“, antwortet der Pfarrer.

Die Vereinsziele

Doch mit Sonntagssprüchen darf man auch einen Mann Gottes nicht davon kommen lassen. Die Kampfmannschaft des SV Stripfing ist eine von 28 in den obersten zwei Spielklassen, so wie es aussieht, wird man auch 2024/25 2. Liga spielen. Es sei natürlich ein blöder Zeitpunkt, dass er nun als Rapid-Pfarrer zu einer Zeit einer Kooperation mit der Austria Obmann werde. Eine schiefe Optik, die aber eben nichts mit dem Klub selbst zu tun habe. Viele Vereine erwarten sich von einem Obmann zudem Dinge, die über Kommunikation hinausgehen. Im Zweifelsfall Geld und/oder Kontakte. Dass er als Gesicht und jetzt sehr prominenter Obmann eine mediale Rolle spielt, sei ihm bewusst. In den Tagen vor dem Interview ist das Handy heiß gelaufen. 

Meistens entstehen Kathedralen an Orten, die eine Bedeutung haben, meistens aus den Steinen, die man jemand in den Weg legt.

Christoph Pelczar

Beides sind keine absolut drängenden Probleme. Der Umbau des Stadions gehe vonstatten, Pelczar zeigt sich da zuversichtlich. Er sehe die Ziele an anderen Stellen im Verein und da klingt er manchmal tatsächlich nach Pfarrer: „Mein erstes Ziel ist es, eine Struktur in die Entwicklung zu bekommen. Zweitens ist es irrsinnig wichtig, die Kommunikation zu verbessern.“ Man müsse mit allen, die hier auch die kleinen Handgriffe machen, reden. „Meine Meinung ist, dass der Platzwart genauso wichtig ist wie der Obmann.“ Es solle wieder eine Familie entstehen, vielleicht so wie in Hütteldorf. Und dann klingt er wie ein echter Fußballfunktionär: „Mein drittes Ziel ist es, so wie es auch Alexander Grünwald gesagt hat, die Professionalisierung voran zu treiben.“ Dazu gehört ein Plan für den Nachwuchs, strategisches Denken bei der Entwicklung der Vereinsstrukturen und auch eine Philosophie, die per Statut festgelegt wird, auf die man sich berufen könne. Aber, das weiß er auch: „Wir sind gegenwärtig obdachlos. Das muss sich ändern, damit wir auch Sponsoren ansprechen können. Ich kann ja schlecht eine Bande am FAC-Platz verkaufen.“

Die Vision

„Wir wollen ein familiärer Verein sein. Es gilt, demütig zu bleiben. Man muss Freude daran haben, sowohl in der Landesliga als auch der Bundesliga“, sagt er zur Vision, aber auch: „Ich will immer das höchstmögliche erreichen, wie jeder Mensch.“ Das erste geistliche Oberhaupt eines Fußballvereins in der jüngeren Geschichte des Fußballs will auf keinen Fall, dass der SV Stripfing, über den nun alle reden, eine Eintagsfliege ist. Er persönlich wolle immer an die Spitze. Insofern passe der Klub auch (zumindest) in die zweithöchste Liga.

Was er in den nächsten Jahren als Obmann erreichen will? Da spricht der Geistliche schon fast wie bei einem Marketing-Ted-Talk: „Es braucht Freude und Begeisterung und wenn wir als Verein zusammenstehen, in guten und schlechten Phasen. Meine Vision: Arbeite mit dem, was du heute hast. Zu gestern ist die Tür geschlossen. Morgen ist nur ein Versprechen, das gibt es noch nicht.“ Um all die erwähnten Ziele zu realisieren, müssen diese komplexen Aufgaben in kleine Ziele aufgeteilt werden. Da ist sie wieder, die Struktur.

Am Ende gibt er dennoch zu, dass er sich bei all dem schon auch selber fragt: „Oida, was machst du da?“

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