Die Kapfenberger Sportvereinigung vermeldet für 2021/22 bei Ertägen von 1,66 Mio Euro ein Minus nach Steuern von 901.000 Euro. Und das mit Absicht.
++ sportsbusiness.de exklusiv von Georg Sander ++
Erwin Fuchs ist mittlerweile ein Einzelkämpfer in Sachen Kapfenberger SV. Und nun soll er im Gespräch mit sportsbusiness.de 901.000 Euro Minus im Geschäftsjahr 2021/22 erklären. „Es sind zunächst die Nachwirkungen der Pandemie“, erklärt er im Interview und rechnet vor – 160.000 Euro Kosten für die Corona-Tests: „Unsere Verantwortlichen waren vielleicht ein bisschen zu nett zu den Institutionen, wir haben zwischen 50 und 80 Euro gezahlt. Ich meinte: Ihr wisst schon, wo das hinführt.“ Hinzu kamen Sponsoren, die gar nichts mehr oder deutlich weniger zahlen. Dass die öffentliche Hand 300.000 Euro weniger an Förderungen beisteuert, rundet das Bild aus Sicht von Fuchs ab. Der Rest sind Bereinigungen, etwa offene Forderungen an Sponsoren oder budgetierte Weiterverkaufsrechte.
„Das bringt ja auch nichts mehr“, meint er. Konkret gehe es etwa um den Ex-Spieler Gerson, der dann bei Rapid anheuerte und für den vielleicht noch Geld fließen könnte. Oder Oliver N’Zi, der zum LASK hätte wechseln können, aber es kam nicht zustande. „Ich fange da keinen Rechtsstreit an“, meint Fuchs. Diese Summen, die bei anderen Klubs in der Bilanz stünden, wären eben jetzt rausgenommen worden: „Wir haben das mit Steuerberater und Wirtschaftsprüfern diskutiert, aber man brauch nichts beschönigen, so wie es ist, ist es eben.“
Die Habenseite
Dabei hätten die Falken einiges, was in der Bilanz nicht abgebildet werden kann. Seit fünf Jahren gibt es das Projekt Wohnheim, Errichtungskosten 5 Mio. Euro, Vorkosten und Planung kosteten noch einmal knapp 600.000 Euro – zurückgezahlt wurden bislang ca. 700.000. Zudem gibt es ein 4.000 Quadratmeter-Grundstück, darauf befindet sich ein Gebäude, das auf einen Schlag eine halbe Million Euro bringen würde. Das Wohnheim laufe auf sieben Jahre, ein Objekt mit 78 Einzelzimmern. „So lange wir da aber nicht der Besitzer sind, kann ich den Betrag nicht aktivieren. Dadurch sieht das Minus furchtbar aus.“
Umgekehrt habe man nebst kleineren Rückständen bei der Gebietskrankenkasse keine Bankschulden. Und dann komme laut Fuchs natürlich noch dazu, dass sich zum Unglück auch noch Pech gesellt. Ein Sponsor versprach 120.000 Euro, zahlte 30.000, nun muss man vor Gericht ziehen. Ein Nachwuchskicker war bei Inter Mailand auf Probetraining, da wäre Ablöse geflossen. Dann riss das Kreuzband, eine Ablöse floss nicht. Oder Keeper Franz Stolz, der seit 2015 für die Falken spielte und 2021 zum SKN St. Pölten ging. Wären die Wölfe nicht abgestiegen, wäre ein Vielfaches an Ausbildungsentschädigung fällig geworden.
Großer Nachwuchs?
Dabei ist die KSV im Nachwuchs durchaus eine Nummer. 120 Plätze gibt es in der Akademie. Pro Jahr nimmt man 25 dazu, das Interesse wäre aber doppelt so hoch. Insgesamt lässt man sich die Akademie 200.000 Euro kosten. „Wir bemühen uns seit über 20 Jahren intensiv um den Nachwuchs. Das war immer mein Credo“, so Fuchs, „aber man wird sportlich bestraft.“
Im Gespräch fragt er: „Wer sind die jungen Österreicher, mit denen Geld verdient wird“, und führt an, dass Sturm Millionen macht, aber nicht mit Eigengewächsen. „Wo ist unser Nachwuchs? Wir investieren Millionen in den Nachwuchs und können keine Spieler verkaufen?“, fragt er. Überhaupt die Bundesligisten mit den Zweierteams! Von denen war er „nie ein Freund. Mir wären Sportclub und Co. lieber.“ Ein Blick auf die Marktwerte als Indikator dafür zeigt: Alle Zweitteams befinden sich in der oberen Hälfte der Kadermarktwerte. Wenn sich wenigstens die Region für die Falken interessieren würde.
Wo sind die Fans?
Die Zeiten, in denen am Falkenhorst 3.000, 4.000 Menschen kamen, vor 40 Jahren, die sind lang vorbei. Heute dümpelt man bei ein paar hundert Menschen, außer wenn der GAK kommt ist großer Auflauf. Doch wer soll denn auch hin? Die Region ist insgesamt überaltert, wer jung ist, gehe nach Wien oder Graz zum Studieren. Zurück bleibt die ältere Generation. Und: „Die Industrie zahlt sehr gut. 8.000 Menschen pendeln täglich ein“, erzählt er. Die fahren eben am Abend wieder und darunter leidet der Zuschauer:innensport in der gesamten Region, sei es Basketball oder Eishockey.
Apropos Industrie: In Kapfenberg gibt es das Who-is-who der Industrie, 15 Weltmarktführer zählt die Stadt auf der eigenen Homepage. Von Hochdrucksystemhersteller BDHT über die Nr. 1 der Welt in Sachen Oberflächenbeschichtung, oerlikon balzers, bis hin zu mehreren voestalpine Böhler-Zweigen. Wie halten diese es mit den Falken? „Die voestalpine hat uns immer unterstützt, seit zwei Jahren null. Sie machen Gewinne, aber es gibt keine Ansprechpartner. Wir haben die Weltmarktführer, aber sie wollen nicht zu uns.“
Die Zukunft der Falken
Wie soll es weitergehen? Im laufenden Jahr – man befindet sich in Gesprächen – brauche es eine halbe Million Euro, um die zum Teil in Kauf genommenen Altlasten abzutragen, im laufenden Betrieb fehlen 300.000 Euro. Zusammengerechnet sind das ein, zwei Transfers, ein weiterer Sponsor. Es ist also längst nicht alles Land unter. Also außer sportlich, denn vieles deutet auf einen Abstieg hin. Sollte es drei Aufsteiger aus den jeweiligen Regionen geben, ist das rettende Ufer derzeit acht Punkte entfernt. „Ich kämpfe für die 2. Liga, die hat schon mehr Stellenwert als die Regionalliga“, meint Fuchs abschließend, der irgendwie auf einen Ligaverbleib hofft bzw. die Falken in der zweithöchsten Liga sieht. Er mahnt: „Ich bin zurzeit der Einzige, der den Verein am Leben hält. Die öffentliche Hand begreift nicht, was hier zusammen brechen würde. Wir haben noch den Kampfgeist, aber irgendwann geht die Freude verloren. Ich habe für den Fußball so viel gemacht, alleine geht es aber nicht.“
Es sei ja auch so viel da, viel mehr als 1997, als er in der Landersliga übernommen hatte…