Ein Riesenevent wie den Vienna City Marathon organisiert man nicht in ein paar Tagen. Die Geschäftsführung – Kathrin Widu und Dominik Konrad – geben gegenüber sportsbusiness.de Einblicke und verraten, wie intensiv und umfangreich ein derartiges Event geplant wird.
++ sportsbusiness.de exklusiv von Georg Sander ++
sportsbusiness.de: Fangen wir mit einem Rückblick auf den 40. Vienna City Marathon an. Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Kathrin Widu: Extrem positiv. Wir schauen gerne in die Zukunft, aber tatsächlich sind wir sehr glücklich über das zurückliegende Event, weil wir knapp 40.000 Anmeldungen aus rund 130 Nationen hatten. Alleine beim Marathon waren es über 9.200. Die Veranstaltung ist nach der Pandemie stark zurückgekommen. Es sind sehr viele Dinge wirklich gut aufgegangen. Der Samstag wurde als Event-Tag neu strukturiert. Erstmals haben wir einen 5-km-Lauf auf der Ringstraße um die Innenstadt durchgeführt. Dieser Bewerb hat den bisherigen Bewerb über 10 km ersetzt. Damit wollen wir den Einstieg ins Laufen und in die Bewegung erleichtern, was sehr gut funktioniert hat. Man konnte laufen, gehen oder walken. Gemeinsam mit den Kinderbewerben wurden Start- und Zielbereiche für alle Events an einem Ort zwischen Rathausplatz und Burgtheater verlegt. So entstand ein echter Stimmungshöhepunkt mit einem großen Fest schon am Samstag.
sportsbusiness.de: Wie sind die Sponsoren dieses Jahr angesprungen?
Dominik Konrad: Wir sind in der glücklichen Situation, dass uns alle Sponsoren und Partner auch über die Pandemie weg treu geblieben sind und uns unterstützt haben. Unsere Hauptsponsoren sind schon über 20 Jahre dabei. Das ist eine Referenz, die kann sich sehen lassen. Generell sind die meisten unserer Sponsoren bereits seit über 10 Jahren mit an Bord. Da hat sich über die letzten vier Jahrzehnte ein großes Vertrauen aufgebaut. Wir konnten für unsere Partner wieder gute Inszenierungen umsetzen und viele haben auch schon für das nächste Jahr verlängert.
sportsbusiness.de: Kann man irgendwie festmachen, wie sich die Sponsorenlage in den letzten 40 Jahren entwickelt hat?
Konrad: Der Vienna City Marathon von vor vier Jahrzehnten ist mit dem heutigen nicht vergleichbar. Das Budget steigt natürlich auch mit den Inszenierungen der Sponsoren. Ein Beispiel: Wenn ein Sponsor die komplette Reichsbrücke mit einem Slogan brandet, sind das Kosten, die dann gesamt eingerechnet werden. Der Marathon kostet ganzjährig mehrere Millionen Euro. Es war für alle ein hartes Jahr. Auch bei unseren Partnern und Lieferanten sind die Kosten gestiegen. Ich glaube nicht, dass es in Zukunft wieder günstiger wird. Pauschal gesagt: Der Marathon wird in der Produktion jedes Jahr etwas teurer.
sportsbusiness.de: Mit welchen Städten vergleicht man sich, mit welchen kann man sich vergleichen?
Widu: Mit der eindrucksvollen Strecke, die an fast allen wichtigen Sehenswürdigkeiten vorbeiführt, und der Prater Hauptallee als Schauplatz des ersten Marathons unter zwei Stunden haben wir im internationalen Vergleich wirklich herausragende Assets. Dazu kommt die Bekanntheit von Wien als Kultur- und Musikhauptstadt. Marathonlaufen ist Teil der Tourismusbranche. Viele Läuferinnen und Läufer suchen sich für ihren Start die attraktivsten Städte mit verlässlicher Marathonorganisation aus. Hier sind wir sehr stark aufgestellt. Im Spitzensport spielen wir im Weltklassebereich mit, sind aber nicht am allerhöchsten Level. Im europäischen Vergleich sind das Berlin und London als Teil der World Marathon Majors oder Valencia und Amsterdam, die das Platin-Label von World Athletics führen. Wir haben das Elite-Label und sind als einzige Laufveranstaltung in Österreich mit einem Label von World Athletics ausgezeichnet. Dieses Label setzt eine bestimmte Organisation und Qualität in Bereichen wie Sport, Gesundheit, Information und Sicherheit voraus.
Unsere Hauptzielgruppe sind die heimischen Läufer:innen, dann folgen Deutschland, Italien und weitere Nachbarländer. Es ist schwierig, Marathons untereinander zu vergleichen, weil jeder ein anderes Setting und andere Schwerpunkte hat. Von der Dimension und Ausstattung her sind Marathonveranstaltungen wie Frankfurt, Hamburg, Prag oder Rom in gewisser Weise mit Wien vergleichbar.
sportsbusiness.de: Sie haben schon die Hauptzielgruppen hinsichtlich Nationalitäten angesprochen und wie gut man die Zielgruppe kennt, ist für Sponsoren sehr wichtig. Wie genau kennen Sie die 40.000 Läufer:innen?
Widu: Wir kennen sie sehr gut. Wir wissen, wer sind die Menschen, die laufen, das geben sie uns bei der Anmeldung bekannt. Der durchschnittliche Marathonläufer ist um die 40 Jahre alt und zu 70 Prozent männlich. Je kürzer die Distanz, desto höher wird der Frauenanteil. Beim Vienna 5K sind sogar mehr Frauen als Männer am Start.
sportsbusiness.de: Um die 40, männlich, das ist eine gute Zielgruppe für die Sponsoren.
Widu: Mit Sicherheit. Ein Beispiel: Die Wiener Städtische, ein Partner der ersten Stunde, hat ihr Engagement heuer ausgebaut und trat erstmals als Titelsponsor des Halbmarathons auf. Dieser Bewerb ist stärker auf österreichische Läufer:innen ausgerichtet, was der Zielgruppe der Versicherung entspricht. Wir achten genau darauf, welcher Sponsor zu welcher Zielgruppe passt. Beispielhafte Themen sind, welcher Partner besonders Wert auf Inklusion legt, wer Kinder stärker im Fokus hat und welche Geschichten man erzählen kann.
Konrad: Unsere Sponsoren wissen ganz genau, welche Veranstaltung sie besonders bespielen wollen, wie eben beim Halbmarathon. Verknüpft mit vielen anderen Inszenierungen, ergibt das eine runde, kommunikative Geschichte, die wir gemeinsam gestalten und umsetzen.
sportsbusiness.de: „Rennen die Sponsoren die Türe ein“, weil das Event schon so etabliert ist, oder muss man die Akquise aktiv betreiben?
Konrad: (lacht) Die Türe rennen sie uns nicht ein, aber die Wirtschaft kann die Marke bzw. das Produkt Vienna City Marathon schon gut einschätzen. Wir arbeiten natürlich mit Branchenexklusivität. Man kann nur eine starke Marke pro Branche als Sponsor nehmen. Wir sind ein kreatives Team mit vielen Ideen und überlegen uns, welchen Sponsor wir für welche Umsetzung gewinnen können. Es gibt immer wieder Anfragen, teilweise kommt man zusammen, teilweise wird es nichts. Es läuft über mehrere Schienen: Wir suchen aktiv, ebenso erhalten wir auch selbstständig konkrete Anfragen. Es ist wirklich bunt durchgemischt.
sportsbusiness.de: Jetzt gibt es ein Event an einem Wochenende. Nehmen Sie uns mit, wann geht es mit der Planung für den nächsten Marathon los? Am Montag danach?
Konrad: Es geht ein bisschen früher los. Wir müssen die Anmeldung für das nächste Jahr aufbereiten. Es muss überlegt werden, wie viel ein Ticket kosten soll, wie die Lieferanten kalkuliert werden, was um wie viel teurer wird. Natürlich müssen wir uns in dem Zusammenhang anschauen, wie die Preise in der internationalen Marathonszene sind. All das muss relativ früh geschehen.
Widu: Wir planen eigentlich 365 Tage. Manche Themen wie die Termine werden auf Jahre voraus festgelegt, derzeit bis 2028. Das geschieht in Abstimmung mit der Stadt Wien und anderen Frühjahrsveranstaltungen in Wien, die die gleichen Örtlichkeiten wie den Rathausplatz bespielen. Es ist ein rollierender Prozess.
Konrad: In Wien wird ja auch viel gebaut. Auf der Lassallestraße wurde ein neuer Fahrrad-Highway errichtet, da waren wir von Anfang an mit einbezogen, weil dies die ersten Marathonkilometer betrifft. Die Stadt Wien ist hier ein guter Partner und möchte uns und anderen Großveranstaltungen keine Probleme verursachen.
sportsbusiness.de: Eine Millionenstadt ein Wochenende quasi „lahmzulegen“ ist gerade in der Koordination mit den öffentlichen Stellen eine Herausforderung. Ist das eingespielt, gibt es regelmäßige Meetings?
Konrad: Wir haben ein sehr aktives und erfahrenes Team, das sich mit dieser Frage beschäftigt. Es ist nicht so, dass wir uns einmal im Jahr zusammensetzen. Vielmehr ist es ein laufender Prozess. Wir sind permanent mit den zuständigen Stellen in Kontakt. Man lernt bei jeder Veranstaltung dazu. Der Vienna City Marathon ist ein jährlicher Fixstern als Event und hat stark positive wirtschaftliche, touristische und imagebezogene Auswirkungen auf Wien. So werden wir mittlerweile auch wahrgenommen. Die Zusammenarbeit mit der Stadt und den Behörden läuft sehr gut.
Widu: Wo wir in der Öffentlichkeit und den Partnern gegenüber besser werden können, ist die Präsentation unserer ganzjährigen Aktivitäten. Wir sind nicht nur ein punktuelles Ereignis, sondern führen viele weitere Veranstaltungen und Initiativen durch. Wir bewegen zehntausende Menschen, die für den Vienna City Marathon über Wochen und Monate trainieren, sich gesund ernähren und etwas für ihre Fitness tun. Somit leisten die Sportler:innen und wir als Veranstalter einen essenziellen, nachhaltigen Beitrag zur Stärkung der physischen und psychischen Gesundheit. Wir gehören als private Organisationen keinem Sport-Dachverband an. Wenn öffentliche Sportbudgets des Bundes erhöht oder verteilt werden, sind wir nicht dabei. Das betrifft auch andere vergleichbare Veranstalter. Insofern würden wir uns wünschen, dass die öffentlichen Stellen unser Wirken auch anerkennen und fördern. Der Bund, das Sportministerium, das Gesundheitsministerium geben Vereinen und Verbänden viele wichtige Förderungen. Man sollte darüber hinaus einen Weg finden, private Organisationen ebenso zu unterstützen, wenn sie einen Beitrag zur Sportförderung und für die Allgemeinheit leisten.
sportsbusiness.de: Welche Erwartungen gibt es jetzt schon an den bzw. die nächsten Wien-Marathon?
Widu: Wir haben uns vorgenommen, das qualitative Level zu halten. Wir sagen nicht, dass wir als nächstes Ziel 45.000 Anmeldungen haben wollen. Für diejenigen, die teilnehmen, sollen das Erlebnis und die Erfahrungen noch besser werden. Bei den Sonntagsbewerben Marathon, Wiener Städtische Halbmarathon und Powerade Staffelmarathon haben wir in Summe 35.000 Anmeldungen als Limit gesetzt. Dazu kommen die Samstagsbewerbe. Der 40. Vienna City Marathon war großartig, manche Punkte kann man verbessern und das tun wir. Wir wollen Stimmung machen, Emotionen hervorrufen und die Menschen ganzjährig für Sport und Bewegung begeistern.
Konrad: Die Prater-Hauptallee ist für uns ein großes Thema. 2019 ist Eliud Kipchoge als erster Mensch die Marathondistanz in einem grandiosen Event unter zwei Stunden gelaufen. Das hat einen Mythos kreiert, aber es gibt im Prater seit 200 Jahren Laufsport. Dieses Thema wollen wir mehr hervor streichen. Jede:r Marathonläufer:in soll einmal die schnellste Laufstrecke der Welt gelaufen sein.