Friedrich Stickler und sein Programm als neuer Play Fair Code Präsident: Im Exklusiv-Interview mit sportsbusiness.de sprechen Stickler und Geschäftsführer Severin Moritzer über die aktuellen Herausforderungen, die Ziele für 2023, neue Optionen für eine verstärkte internationale Ausrichtung und Hans Krankls 70. Geburtstag.
++ sportsbusiness.de exklusiv von Michael Fiala ++
sportsbusiness.de: Sie sind jetzt seit einigen Monaten als Präsident des Play Fair Code tätig. Was hat Sie bewogen, das Amt anzunehmen?
Friedrich Stickler: “Der Kampf gegen Match-Fixing bzw. gegen Spielmanipulation ist ein Thema, das mich schon seit über 20 Jahren beschäftigt. Als Vorstand der Österreichischen Lotterien und als Präsident der Europäischen Lotterien habe ich bereits viel mit diesem Thema zu tun gehabt. Und: Spielmaniplationen sind natürlich schrecklich für den Sport. Deswegen habe ich, als ich gefragt wurde, ob ich mir diese Funktion vorstellen kann, auch rasch zugesagt.”
Wollen Sie ein Präsident sein, der auch in der Öffentlichkeit aktiv die Stimme erhebt?
Stickler: “Anlassbezogen sicherlich schon. Wenn ich mich zu Wort melden möchte oder werde, dann aus aktuellem Anlass bzw. um Bewusstsein zu schaffen, dass hier für den Sport eine große Gefahr droht. Dieses Bewusstsein ist deshalb wichtig, weil unsere Arbeit ja ein bisschen wie die der Feuerwehr ist: es ist gut und wichtig da zu sein und auf den Ernstfall vorbereitet zu sein, der breiten Öffentlichkeit bekannt werden aber immer nur die Fälle, die leider nicht verhindert werden konnten.”
Moritzer: “Dieses Problem gilt für alle Bedrohungen der Integrität im Sport. Wenn etwas passiert, dann muss man da sein und dann müssen die Dinge funktionieren, die abseits der Öffentlichkeit passieren. Wir definieren uns aber nicht darüber, was wir glauben, verhindert zu haben. Wir definieren uns vielmehr über die Menschen, die wir mit unserer Präventionsarbeit direkt erreichen und wir erreichen im Moment im Jahr rund 3.000 Menschen.”
Wie wollen Sie Ihre Rolle als Präsident anlegen?
Stickler: “Zunächst wollen wir unseren erfolgreichen Weg fortsetzen. In den letzten Jahren hat sich einiges getan. Es gibt mittlerweile großartige Technologien und Tools, die Wettbewerbe und Wettmarkt überwachen und uns so in unserer Arbeit unterstützen.“
Moritzer: “Die technischen Möglichkeiten, zB das Monitoring, sind beeindruckend. Die Präventionsarbeit muss aber das Bewusstsein schaffen, dass immer mehr Sportarten, das Ziel von Manipulation und Wettbetrug werden. Es gibt zum Beispiel einen Boom bei Wetten auf eSport und auch dort gibt es natürlich Manipulation.”
Von den Sportarten, die jetzt Partner des Play Fair Code sind, ist man somit am Zenit angekommen, oder?
Stickler: “Wir versammeln inzwischen fast alle bewettbaren Sportarten bei uns. Themen, an denen wir aktuell arbeiten sind zum Beispiel Billiard und wie vorher schon erwähnt eSport.”
Ist es ein Ziel, eine Partnerschaft im eSport aufzubauen?
Stickler: “Natürlich ist es ein Ziel, weil eben auch dort Manipulationen passieren. Aber es ist nicht einfach, weil man hier ein völlig heterogenes Feld vorfindet. Wir haben zuletzt auch bei einem Arbeits-Besuch in London darüber diskutiert. Man muss sich sehr genau überlegen, wie man das angeht.”
Moritzer: “Wir sind gut vorbereitet, weil wir uns schon seit Längerem mit dieser Thematik beschäftigen. Zuletzt auch in der Arbeitsgruppe Esports des BMKÖS. Die Hausaufgabe, die wir uns jetzt für die nächste Zeit vornehmen ist, mit der Österreichischen e-Bundesliga zu sprechen. Nachdem auch Friedrich Stickler sehr offen für dieses Thema ist, setzen wir uns das Ziel, in diesem Bereich noch 2023 die ersten Schulungen durchzuführen.”
Die internationale Vernetzung wird immer wichtiger. Wie sehen Sie die Rolle des österreichischen Play Fair Code im internationalen Kontext?
Stickler: “Bei den Play Fair Code Talks im vergangenen Herbst, anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Play Fair Code, wurde sehr viel internationale Anerkennung ausgesprochen und diese manifestiert sich jetzt zB in einem Projekt, das wir mit der UEFA vorbereiten. Auch hat sich die Möglichkeit ergeben, als Vertragspartner mit dem Council of Europe zu kooperieren. Wir haben eine Reihe von internationalen Anknüpfungspunkten.”
Moritzer: “Wir haben in den letzten Jahren bewiesen, dass wir gute Partner sind. Mit der UEFA arbeiten wir zum Beispiel seit acht Jahren zusammen und das zahlt sich jetzt buchstäblich aus. Ähnliche Wertschätzung erfahren wir von unseren Kollegen beim IOC, der UNODC oder kürzlich auch von der EHF.”
Ein Schritt in Richtung Kommerzialisierung des Play Fair Code?
Moritzer: “Wir werden deswegen kein kommerzielles Unternehmen werden. Dass Know-how-Transfer in gewissen Situationen aber finanziell abgegolten wird, ist völlig in Ordnung. Im kommerziellen Bereich würde man dazu “New Business” sagen. Wir ernten jetzt die Früchte des Vertrauens.”
Stichwort Europa: Es war in den vergangenen Jahren immer wieder ein Thema, dass der Play Fair Code nicht nur informell ein Ansprechpartner ist, sondern auch auf offizieller Ebene. Ist das weiterhin ein Ziel des Play Fair Code?
Stickler: “Das würde durchaus Sinn machen. Das muss aber der Gesetzgeber bzw. der zuständige Minister auch wollen. Die Aufwertung in eine Behörde würde diesen Verein in seiner Struktur aber komplett ändern. Es ergäben sich jedoch eine Reihe von Vorteilen in der Zusammenarbeit mit der Polizei und den Staatsanwälten.”
Moritzer: “Wir schauen jetzt erstmal, wie wir zu einer langfristigen, finanziellen Absicherung des Vereins kommen. Da wird es weitere Gespräche geben. Ich bin aber davon überzeugt, dass der Play Fair Code auch im Sportministerium so wertgeschätzt wird, dass ich mir um die Zukunft keine Sorgen mache.”
Wenn man einen Brief ans Christkind schreiben könnte, würde man sich von Seiten des Play Fair Code wünschen, eine Behörde zu sein?
Moritzer: “Wenn man das unterlegen würde mit der Ratifikation der Konvention und damit der tatsächlichen Umsetzung der nationalen Plattform, dann wäre das die Endausbaustufe dessen, was wir hier tun. Dazu bedürfte es aber eines entsprechenden Gesetzes. Das ist aber momentan kein Thema. Was wir allerdings anstreben ist, dass wir einen Experten-Status in der Group of Copenhagen bekommen. Da sind wir in Gesprächen.
Aktuell gibt es den Prozess rund um die Wettmanipulation in der Regionalliga.
Wenn man etwas Positives daraus ziehen will, könnte man sagen, dass man es auch wieder für die Schulung verwenden kann, um zu zeigen, dass auch so etwas irgendwann auffliegt?
Moritzer: “Wenn du informiert bist, kannst du informierte Entscheidungen treffen. Das predigen wir. Aber was wir aus dieser Geschichte gelernt haben: Unser Schulungs-Narrativ funktioniert. Auch wenn bisher in den Medien über zu gering bemessene Strafen berichtet wurde. There is more to come! Unabhängig davon war der Fall ein weiterer Lackmustest, dass die Kooperation und Schnittstellendefinition mit unseren Kollegen im Bundeskriminalamt perfekt funktioniert.”
Stickler: “Ich habe bereits vor 15 oder 20 Jahren begonnen, zur Notwendigkeit von strengeren Gesetzen zu argumentieren. Bei uns ist der Tatbestand Betrug immer an den nachweisbaren Schaden gebunden. Den vollständigen Schaden kann man aber nur sehr schwer eruieren bzw. beziffern. Hier geht es daher darum, in die konsequente Aus- und Weiterbildung der Polizei und Justiz zu investieren.”
Moritzer: “Die österreichische Polizei ist aber jetzt schon weltweit ganz weit vorne dabei, weil sie ganz genau wissen, was zu tun ist. So gesehen hilft uns der wechselseitige Austausch und das Sammeln von Erfahrungen über die vergangenen elf Jahre natürlich gewaltig. ”
Wie ist Ihr Ausblick für das Jahr 2023?
Stickler: “Ein starker Fokus auf die Jugend und den Nachwuchs. Und ich glaube auch, um dort das Bewusstsein zu verstärken, auf Funktionäre.”
Moritzer: “Neben dem umfangreichen Tagesgeschäft haben wir uns vorgenommen, gemeinsam mit unseren Partnern von der Deutschen Sporthochschule Köln, eventuell auch der UEFA, ein Erasmus+ Projekt zum Thema Frauenfußball und Manipulation zu starten. Dieses Projekt sollte dann auf den gesamten Frauensport ausgebreitet werden.
Kurz ein anderes Thema: Vor einigen Wochen hat Hans Krankl seinen 70er gefeiert. Hatten Sie Kontakt mit ihm oder haben Sie ihm zum Geburtstag gratuliert?
Stickler: “Er hat ja gesagt, dass er sehr böse auf mich ist, weil ich ihm die Euro gestohlen habe. Ich würde sagen, er hat sie wahrscheinlich selbst verloren. Aber nachdem er nicht einmal meinen Namen kennt, wäre es auch sinnlos gewesen, ihm zu gratulieren. Wobei das mit 70 Jahren schon passieren kann, dass man einen Namen vergisst.”
Das klingt ein wenig verbittert?
Stickler: “Ich schätze ihn als Fußballer ungemein. Er ist sicher einer der besten Fußballer, die Österreich je hervorgebracht hat. Er ist zudem ein großartiger Sänger und das sind, glaube ich, seine großen Talente.”
Der ÖFB war in den vergangenen Wochen in den Schlagzeilen – Stichwort Compliance und Gerhard Milletich. Sie waren lange genug ÖFB-Präsident, um diese Situation einschätzen zu können…
Stickler: “Also ich kann zum Compliance-Thema nichts Konkretes sagen, weil ich es auch nur aus den Medien kenne. Aber was ich für mich festgestellt habe: Man kann einen so fordernden, quasi ehrenamtlichen Job nicht neben einem Vorstands-Job ausüben. Das ging bis zur EURO 2008, ab dann war das gegenüber meinen Gesellschaftern oder dem Aufsichtsrat nicht mehr zu verantworten.”
Was wäre die notwendige Konsequenz?
Stickler: “Ich habe nach meinem Rücktritt damals erklärt, dass der ÖFB einen hauptberuflichen Präsidenten oder eine Struktur braucht, in der man einen Generaldirektor oder Generalsekretär hat, der das Geschäft führt und die Landespräsidenten fungieren als Aufsichtsräte. Ich glaube, dass der größte Sportverband dieses Landes heute nicht mehr als Ehrenamt geführt werden kann. Das war vielleicht früher möglich.”