Die Österreichische Vereinigung für Wetten und Glücksspiel (OVWG) ist die inländische Interessenvertretung von in der EU lizenzierten Online-Glücksspiel- und Wettanbietern. Im Interview mit sportsbusiness.de erklären Präsident Claus Retschitzegger und Geschäftsführerin Raffaela Zillner, wie ein neues Online-Glücksspiel-Lizenzsystem Millionen für den österreichischen Sport generieren könnte, warum Netzsperren einen negativen Effekt haben würden, und das österreichische Monopol die Spielsucht eher schlechter als besser in den Griff bekommen kann.
Das Exklusiv-Interview führte Michael Fiala
sportsbusiness.de: Es sind allgemein herausfordernde Zeiten: Wie hat die OVWG das letzte Jahr erlebt?
Claus Retschitzegger: Die COVID-19-Pandemie ist für alle eine große Herausforderung – davon sind die Online-Anbieter nicht ausgenommen. Gerade der erste Lockdown, als kaum Sportveranstaltungen stattfanden, traf auch unsere Mitglieder hart. Mit dem Re-Start der Sportveranstaltungen ab Mai hat sich die Situation dann für alle gebessert. Spannend zu beobachten war auch, dass in dieser Zeit der ESport-Bereich starken Zulauf hatte.
Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch aktuell?
Raffaela Zillner: Gerade der Großteils ehrenamtlich organisierte Sport ist einer jener Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche, die von der Corona-Krise am stärksten betroffen sind. Gerade unseren Mitgliedern macht das natürlich große Sorgen. Wir sind deshalb bereits vergangenen Herbst mit einem Vorschlag an die Politik herangetreten, der dem österreichischen Sport jährliche Mehreinnahmen von bis zu 50 Millionen Euro bringen würde.
Wie sieht dahingehend der konkrete Vorschlag aus, der dem Sport 50 Millionen Euro pro Jahr bringen würde?
Zillner: Konkret beinhaltet der Vorschlag die Einführung eines zeitgemäßen Online-Glücksspiel-Lizenzsystems, bei dem zusätzliche Einnahmen, wie etwaige Lizenzgebühren, für den Breiten- und Spitzensport zweckgewidmet werden. Die bisherige Sportförderung wäre davon nicht betroffen, und auch der durch COVID-19 ohnehin schon stark strapazierte Staatshaushalt wird nicht weiter belastet. Wir schätzen, dass durch ein solches Modell bis zu 50 Millionen Euro Mehreinnahmen für den heimischen Spitzen- und Breitensport generiert werden könnten. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass Lizenzsysteme darüber hinaus den besten Spieler- und Jugendschutz bieten. Spieler- und Jugendschutz ist seit jeher für die Mitglieder der OVWG selbstverständlich und zudem auch Grundvoraussetzung für eine Mitgliedschaft. Das von der OVWG angestrebte Lizenzsystem würde deshalb Jugend- und Spielerschutzstandards verpflichtend vorschreiben und eine umfassende Kontrolle dieser Standards durch den Staat ermöglichen.
Als Branchenvertretung setzt sie sich für eine moderne und nachhaltige Regulierung des Online-Bereichs in Österreich ein. Aktuell gibt es dazu Bewegung in der Branche. Welche konkreten Ziele verfolgt die OVWG?
Retschitzegger: Österreich ist eines der letzten Länder in Europa, das noch ein Monopol im Glücksspielbereich hat. An dieser Stelle muss man aber auch erklären, dass wir, wenn wir über das österreichische Glücksspielmonopol sprechen, schon lange nicht mehr von einem staatlichen Monopol, sondern von einem Monopol für ein mehrheitlich privates Unternehmen sprechen. Das österreichische Glücksspielmonopol ist mittlerweile im 60%igen Mehrheitsbesitz der tschechischen Sazka-Gruppe. Wir sind davon überzeugt, dass Monopole aus der Zeit gefallen sind, und Österreich daher dem europäischen Trend folgen sollte und das Monopol durch ein zeitgemäßes Lizenzsystem ersetzen sollte. Internationale Beispiele zeigen uns: Wenn Lizenzen nicht mengenmäßig begrenzt, sondern an die Einhaltung hoher Jugend- und Spielerschutzstandards geknüpft werden, entsteht eine WIN-WIN-Situation für alle – garantierte Steuereinnahmen und umfassende Aufsicht für den Staat, hohe Spielerschutzstandards für Kunden, und Rechtssicherheit für verantwortungsvolle Anbieter.
Wie steht der OVWG zum aktuellen Vorschlag der Regierung der Neuordnung des Glücksspiels?
Retschitzegger: Leider kündigte die Regierung jüngst in einem Ministerratsvortrag das Gegenteil in Form von Netzsperren für alle in der EU lizenzierte Anbieter an. Dies würde nicht nur dem Kunden die Chance nehmen, zwischen verschiedenen Anbietern zu wählen, sondern auch dem österreichischen Staat und den Sport viel Geld kosten. Wir reden hier von jährlich 123 Mio. Glücksspielabgabe (2019), 100 Millionen Sportsponsoring und Marketinginvestitionen und mehr als 1.000 Arbeitsplätze, die, wenn dieses Gesetz so kommt, zweifelsohne verloren gehen werden.
Welchen Effekt hätten die geplanten Netzsperren aus Ihrer Sicht?
Zillner: Durch die geplanten Netzsperren sollen seriöse, in der EU lizenzierte Unternehmen vom österreichischen Markt ausgeschlossen werden. Das heißt, dass man auf deren Internetseiten nicht mehr von Österreich aus wird zugreifen können. Ausgeschlossen ist, dass die Spieler dann alle zu win2day wechseln. Vielmehr wird die Nachfrage nach einem differenzierten Angebot weiterhin bestehen bleiben, und so werden Anbieter aus Asien und der Karibik auf den Markt drängen. Diese agieren außerhalb der Behördensichtbarkeit, erfüllen weder Spielerschutz- noch Anti-Geldwäsche- oder Datenschutzstandards und zahlen keine Steuern in Österreich. Netzsperren sind auch faktisch wirkungslos, da diese selbst von Technik-Laien mit wenigen Klicks umgangen werden können.
Welche Konsequenzen würden Netzsperren aus Ihrer Sicht mit sich bringen?
Zillner: Die geplanten Netzsperren hätten lediglich den Effekt, dass seriöse Anbieter, die bereits Lizenzen aus anderen EU-Mitgliedstaaten haben, vom Markt verdrängt werden und Spieler in den Schwarzmarkt getrieben werden, die weder Spielerschutzmaßnahmen einhalten noch Steuern in Österreich zahlen. Es ist daher dringend notwendig, dass die Regierung ihr Vorhaben noch einmal überdenkt, und die angekündigte Glücksspielreform als Anlass nutzt, ein Lizenzsystem einzuführen, statt an einem veralteten Monopol festzuhalten, das zudem mehrheitlich in tschechischer Hand ist und den ursprünglichen Sinn und Zweck keinesfalls mehr gerecht wird.
Finanzminister Gernot Blümel kündigte am Donnerstag an, dass es vermutlich keine neuen Lizenzen gibt, und damit das aktuelle Monopol weiter einzementiert wird. Das sind äußerst unangenehme Nachrichten für Sie als Branchenvertreter, oder?
Retschitzegger: Besser trifft es eigentlich, dass wir fassungslos sind. Nicht nur, dass sich die Regierung aktuell weigert in einen konstruktiven Dialog mit der Branche zu treten, sondern Österreich will offenbar auch einen Weg gehen, der ganz klar dem europäischen Trend der Einführung von Lizenzsystemen widerspricht. Im Eifer des Gefechts ist nun zu befürchten, dass durch einen regulatorischen Schnellschuss eine „typisch österreichische Lösung“ produziert wird. Erst wird geblockt und verboten und kurz darauf erkennt man, dass dem Sport die Gelder, dem Staat die Steuereinnahmen und dem Spieler seine geliebte Angebotsvielfalt an seriösen Anbietern fehlt, und der Schwarzmarkt explodiert. Diesen Schwarzmarkt, der unter der Behördensichtbarkeit arbeitet und daher auch nicht geblockt werden kann (wir alle kennen die Diskussion rund um kino(x).to), wird man auf Jahre nicht mehr wegbekommen. Das ist wirklich das schlechtmöglichste Szenario, das man sich vorstellen kann, und wir hoffen natürlich, dass es hier noch ein Umdenken kommt. Gerade für den so wichtigen Spielerschutz wünschen wir uns das.
Wie würde das konkrete Konzept der OVWG einer Lizenzierung für Österreich aussehen?
Retschitzegger: Uns geht es darum, einen gesunden Wettbewerb sicherzustellen. Dabei ist uns völlig klar, dass es dafür – gerade weil Glücksspiel ein sehr sensibles Thema ist – einen strengen Rahmen braucht. Konkret wünschen wir uns ein Lizenzmodell, bei dem die Lizenzen nicht mengenmäßig begrenzt, sondern an strenge Vorgaben geknüpft sind. Mengenmäßige Begrenzungen der Lizenzen haben immer einen willkürlichen und intransparenten Beigeschmack, weil was rechtfertigt, dass es genau 5, 10, 15 oder 20 Lizenzen gibt? Besser wäre es, die Lizenzvergabe an die Erfüllung strenger Kriterien – wie z.B. Spielerschutz, Datenschutz und Anti-Geldwäschestandards – zu knüpfen. Dann würden nur jene Unternehmen eine Lizenz erhalten, die die strengen, vom Gesetzgeber festgelegten Vorgaben erfüllen. In Dänemark ist es mit diesem System gelungen, dass über 90% der Spieler bei in Dänemark lizenzierten Anbietern spielen. Das wünschen wir uns auch für Österreich. In Österreich nutzen das Online-Angebot des Monopolisten gerade mal 30%.
Sie haben vorher auch den Bereich Sportsponsoring angesprochen. Sehen Sie die Gefahr, dass Glücksspielunternehmen dann ihre Sponsoringaktivitäten reduzieren müssten?
Retschitzegger: Werden in der EU lizenzierte Anbieter tatsächlich mittels Netzsperren gesperrt, hätte das zweifelsohne verheerende Auswirkungen auf die Sponsoringleistungen dieser Unternehmen. Der Online-Glücksspielbereich ist in den letzten Jahren für Sportwettenanbieter zu einem wichtigen Umsatzfaktor geworden. Davon profitieren Sportvereine und Sportverbände durch Sportsponsorings in der Höhe von jährlich 50 Millionen Euro. Wenn die Anbieter in Österreich kein Online-Glücksspiel mehr anbieten können, wird der Sport jedenfalls finanzielle Mittel in Millionenhöhe verlieren.
Welche internationalen Beispiele für die nachhaltige Regulierung des Online-Bereichs gibt es?
Zillner: In der EU ist sicherlich Dänemark eines der großen Vorbilder bei der Regulierung des Online-Glücksspiels. Dänemark ist es mit seinem zukunftsweisenden Lizenzmodell gelungen, über 90% der Nachfrage in den legalen Markt zu lenken – das heißt, über 90% der Dänen spielen jetzt bei lizenzierten Anbietern. Dort herrscht strenger Spielerschutz und staatliche Kontrolle, im Gegenzug haben die Unternehmen Rechtssicherheit und können langfristig ihre Investitionen und Sponsoringengagements planen. Ein durchaus gelungenes System, wie wir und zahlreiche namhafte Experten meinen. Aber auch wenn man sich die restlichen Mitgliedstaaten der EU ansieht, geht der Trend klar in Richtung Lizenzmodelle; Monopole muss man schon fast mit der Lupe suchen.
Welchen Effekt haben Monopole aus Ihrer Sicht in Bezug auf Spielsucht? Ist diese dadurch nicht besser kontrollierbar?
Retschitzegger: Internationale Beispiele zeigen ganz klar, dass Monopole wesentlich schlechter aufgestellt sind, was Spielsucht betrifft: Zum Beispiel hat Finnland, das als einziges EU-Land noch ein vollständiges Monopol für Online-Glücksspiele hat, eine Prävalenzrate für problematisches Glücksspiel von 3% seiner Bevölkerung, während Dänemark mit einer vollständigen Regulierung mit mehreren Lizenzen eine Rate für problematisches Glücksspiel von nur etwa 0,7 % aufweist. Lizenzsysteme bieten den besten Spielerschutz, weil sie den Spielern eine Angebotsvielfalt an seriösen Anbietern ermöglichen, die hohen Spielerschutzstandards haben und regelmäßig vom Staat kontrolliert werden. Monopole hingegen drängen Spieler in den illegalen Markt, wo keine Spielerschutzmaßnahmen eingehalten werden.