Fußballerisch perfekt ausgebildet, eine hohe Spielintelligenz, enorm abgeklärt, beeindruckende Statistiken – und das mit gerade einmal 21 Jahren: Nicolas Seiwald, der in Salzburg sämtliche Nachwuchsstufen inklusive der Red Bull Akademie durchlaufen hat, drückt der Mittelfeld-Raute der Mozartstädter nachhaltig seinen Stempel auf.
Der Kuchler, dessen Marktwert mittlerweile bei 20 Millionen Euro liegt, hat seinen Vertrag beim österreichischen Serienmeister FC Red Bull Salzburg bis 2026 verlängert. Ein Gespräch über fortschrittliches Denken am Spielfeld, hilfreiche technische Neuerungen, außergewöhnliche Momente, die persönliche Lernkurve und den künftigen Weltmeister.
Ihr habt euch in der Champions-League Gruppenphase gegenüber der namhaften Konkurrenz sehr gut und teuer verkauft, aber auch Lehrgeld bezahlen müssen. Worüber hast du dich am meisten geärgert, auf welche Momente blickst du besonders gerne zurück?
Eine gar nicht einfache Frage (überlegt). Geärgert habe ich mich über die erste Halbzeit im letzten Spiel beim AC Milan und, dass wir nicht mehr daraus gemacht haben. Da haben wir richtig gut gespielt und es wäre da mehr möglich gewesen. Ich hätte gern gesehen, wie Milan reagiert, wenn wir ein Tor erzielt hätten. Das Spiel wäre sicher in eine ganz andere Richtung gegangen. Letztlich war es aufgrund der zweiten Halbzeit eine deutliche Niederlage, die wir aber mittlerweile gut verkraftet haben. Wir freuen uns auf die Europa League und das Duell mit dem nächsten italienischen Klub. Als positive Momente möchte ich alle drei Heimspiele bezeichnen. Die Stimmung an solchen Champions League-Abenden in der Red Bull Arena ist außergewöhnlich. Und dabei ist es uns in allen drei Spielen gelungen, eine außergewöhnliche Leistung auf den Platz zu bringen, sogar bei der Niederlage gegen den FC Chelsea.
Am 16. und 23. Februar wartet in der Europa League-Zwischenrunde mit der AS Rom ein weiterer Hochkaräter. Was waren deine ersten Gedanken nach der Auslosung, was weißt du über die Elf von Star-Trainer José Mourinho und wie schätzt du eure Chancen ein?
Wir wissen, dass auch die AS Rom wieder eine extrem starke Mannschaft mit einem herausragenden Trainer ist. Wir haben wieder ein sehr schwieriges Spiel vor uns, bei dem wir sicherlich nicht Favorit sind. Das müssen wir aber auch nicht. Wir müssen nur erneut daran glauben, dass wir eine Chance aufs Weiterkommen haben – wenn wir möglichst wenig Fehler machen und unsere Art von Fußball auf den Platz bringen können.
Du wirst als Salzburgs Motor, Arbeitsbiene und Musterschüler beschrieben, wie entscheidend ist fortschrittliches Denken und Handeln für dich am Spielfeld?
Sehr wichtig! Es kommt ja nicht nur auf das Fußballerische an, sondern auch darauf, dass man im Kopf schnell ist und in den richtigen Momenten die richtige Entscheidung trifft. Training ist das eine. Das andere ist es, das dort Gelernte im Spiel umsetzen zu können. Dabei habe ich mir aber immer schon eher leichtgetan. Es ist auch hilfreich, dass wir im Training immer wieder Übungen machen, die dieses rasche Handeln unterstützen.
Stichwort Progress – inwiefern hat sich der Fußball in den vergangenen fünf Jahren verändert, was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Neuerungen?
Da hat sich sehr viel getan. Eine für mich sehr wesentliche technische Neuerung ist die Einführung des VAR. Auch wenn der immer wieder in der Kritik steht, ist das eine sehr wichtige Neuerung und ein großer Fortschritt. Ich finde das sehr wichtig, weil man so den Fußball fairer machen kann. Ganz fehlerfrei wird es nie sein, weil viele Entscheidungen einfach strittig sind. Aber insgesamt ist das ein wichtiger Schritt.
Wie zufrieden bist du mit deiner persönlichen Entwicklung. In welchen Bereichen hast du Fortschritte erzielen können, was muss noch besser werden?
Ich bin da schon recht zufrieden. Vor allem im letzten Jahr ist Vieles unglaublich schnell gegangen, da habe ich plötzlich in der Champions League und auch im Nationalteam gespielt. Das war eigentlich ein Wahnsinn (lacht). Zu verbessern gibt es bei einem Fußballer immer etwas. Vor allem offensiv möchte ich mich noch weiterentwickeln, mehr Tore machen oder auflegen. Und man kann auch an seinen Stärken arbeiten, die noch optimieren.
Hast du gegenwärtig ein Vorbild und welcher Fußballer hat dich in deiner Kindheit und Jugend besonders beeindruckt?
Als Kind war es Christiano Ronaldo, der mich fasziniert hat. Er ist ein unglaublich harter Arbeiter und hat so lange auf höchstem Niveau gespielt. Später hat mich dann Kevin de Bruyne beeindruckt, dem ich heute noch gern zuschaue. Letztendlich entwickelt man aber ohnehin seinen eigenen Stil, seine eigene Art, zu spielen. Es macht Sinn, sich darauf zu konzentrieren, statt andere zu kopieren.
Du bist trotz deiner erst 21 Jahre für viele bereits ein Idol, stehst ständig im Rampenlicht. Wie wichtig ist dir deine Vorbildfunktion und wie gehst du damit um?
Das ist mir jetzt nicht wirklich wichtig, das bringt einfach der Beruf des Fußballers mit sich. Aber natürlich registriert man das.
Abschließend, während die ÖFB-Auswahl in Wien gegen den regierenden Europameister Italien testet, wird in Katar um den WM-Titel gespielt. Welche Spiele lässt du dir auf keinen Fall entgehen, wie lautet dein WM-Tipp?
Natürlich werde ich mir die WM-Spiele ansehen, wenn es meine Zeit erlaubt. Ich habe in dieser Zeit ja endlich mal Urlaub und lasse das gemütlich auf mich zukommen. Mein Favorit auf dem WM-Titel ist Brasilien. Aber das sind sie ja fast immer (lacht).
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