(c) FC DAC 1904/Screenshot
Nach einer enttäuschenden Vorsaison mit Wehen Wiesbaden wechselte Sidney Friede (22) zum slowakischen Spitzenklub FC DAC 1904. Neben der sportlichen Perspektive scheinen nun auch Marketing-Faktoren den Wechsel zum Erfolg zu machen. Denn: Der gebürtige Berliner ist Influencer.
Das Fan-Sein jüngerer Fußballanhänger fokussiert heutzutage immer stärker auf die Fußballer und immer weniger auf den Verein. Der sogenannte Media-Wert eines Spielers kann vor allem abseits des Platzes zu spannenden Begleiterscheinungen führen, wie etwa im Anstieg der Trikotverkäufe oder der Follower-Zahlen. Während der sportliche Marktwert eines Spielers nicht unbedingt rational nachvollziehbar ist, lässt sich die Nachfrage im Online-Bereich mit Hilfe von Preismodellen aus dem Influencer-Marketing exakt bestimmen.
Ein prominentes Bespiel, das dieses Phänomen unterstreicht, war das zweijährige Leihgeschäft von James Rodríguez. Obwohl der FC Bayern den Kolumbianer wieder ziehen ließ, profitierte der deutsche Serienmeister von dem Media-Wert des ehemaligen Shooting-Stars. Auf seinen drei Social-Media-Kanälen verfügt Rodríguez über ein Gesamtvolumen von 92 Millionen Follower – dies entspricht einem Media-Wert von 278.000 Euro pro Posting. Ob sich die Club-Marketers des FC DAC 1904 diesem Potenzial bewusst waren, ist nicht bekannt.
Spieler als ideale Influencer für den Verein
Sidney Friede durchlief die Nachwuchsteams von Hertha BSC. Aufgrund mangelnder Einsätze wurde der Mittelfeldspieler für eine Rückrunde an Royal Mouscron in die erste belgische Liga verliehen, wo er seine fußballerischen Fähigkeiten erstmals im Profibereich unter Beweis stellte. Nachdem der gebürtige Berliner zur Hertha zurückkehrte, dort aber in den ambitionierten Plänen keine Rolle spielte, verließ Friede die Hauptstadt in Richtung Wiesbaden. Nach einer enttäuschenden Saison mit nur einem Zweitliga-Einsatz und dem Abstieg in die 3. Liga, startete nun im Sommer das Projekt FC DAC 1904 für den heute 22-Jährigen.
Wenn der Fußball ruht, ruft die Konsole. Dieser Satz gilt auch für Sidney Friede. Seine Gaming-Skills stellte er bereits während seiner Zeit in Berlin unter Beweis, wo er von Hertha-eSportler Elias Nerlich eine Menge lernen durfte. Damals begann er, seine Sessions in „FIFA“ und „Fortnite“ auf der Streaming-Plattform Twitch zu übertragen. Im Rahmen der „Bundesliga Home Challenge“, ein während des Covid-19-Shutdowns von der DFL organisiertes eFootball-Turnier, siegte der 22-Jährige mit 3:0 gegen den ebenfalls eSport-affinen HSV-Profi Tim Leibold. Darüber hinaus gewann Friede gemeinsam mit Borussia Mönchengladbachs eFootballer Richard ‚Der_Gaucho10‘ Hormes Anfang April im Doppel die „NGL Charity League“.
Im realen Leben legte der FC DAC unter dem deutschen Neo-Coach Bernd Storck in der bereits angelaufenen Saison einen furiosen Auftakt hin und holte aus fünf Partien die maximale Punktausbeute. Storck war es auch, der Friede im Jahr zuvor nach Belgien lotste. Dieses Vertrauen scheint der junge Mittelfeldspieler erneut zu quittieren: In vier Starteinsätzen für den letztjährigen Drittplatzierten steuerte Friede zwei Treffer und eine Vorlage bei. Jedoch scheint sich die Verpflichtung von Sidney Friede nicht nur aus sportlicher Sicht zu rentieren.
Micro-Influencer: Ein kleiner Trend mit großer Wirkung
In der Marketing-Szene hat sich längst die Meinung der gestiegenen Bedeutung von Micro-Influencern durchgesetzt. Obwohl Friedes Reichweite (Instagram: 134.000 Follower; Twitch: 99.000; Youtube: 42.000) in keinem Verhältnis zu den astronomischen Social-Media-Zahlen von James Rodríguez steht, konnte sich der FC DAC die digitale Strahlkraft des 22-Jährigen zunutze machen. Gemeinsam mit dem bereits erwähnten Hertha-eSportler Elias Nerlich analysiert Friede in Form des beliebten Reaction-Formats die wöchentlichen Spiele des FC DAC, wodurch immer mehr deutschsprachige Fans auf den slowakischen Verein aufmerksam werden.
Während Vorjahresmeister Slovan Bratislava 2019 fast das doppelte Google-Suchinteresse (+44 Prozent) im Vergleich zum FC DAC 1904 erzeugte, wurde der derzeitige Tabellenführer seit der Friede-Verpflichtung öfter gegoogelt. Vor allem die Steigerung der Follower-Zahlen auf Instagram verdeutlichen das neugewonnene Interesse an dem slowakischen Fußballklub.
In diese Nische könnten daher auch österreichische Vereine mit Spielern mit ausbaufähiger Reichweite stürmen. Da mit den Spielern die Influencer greifbar in den eigenen Reihen vorhanden sind, müssen diese nur noch zielgerichtet organisiert und SEO-optimiert aufbereitet werden. Micro-Influencer finden sich reichlich in allen Klubs. Es sind also nicht nur die Topstars, die mit ihren Media-Werten interessant sind als Werbeträger, Botschafter sowie Content-Quellen. Der Transfer von Sidney Friede dürfte dem Thema in den Vermarktungsstrategien der Vereine Auftrieb geben.